"First Genossin" Albaniens stirbt im Alter von 99 Jahren.
27. Februar 2020Sie stand stets lächelnd an der Seite ihres Ehemannes, dünne Lippen, immer mit derselben strengen Friseur: schulterlanges Haar, Seitenscheitel, Haarspangen hinter den Ohren. Ihr Einfluss war viel größer als der ihrer offiziellen Funktionen. Doch dafür hat sie sich nie verantworten müssen.
Sie wurde als "Lady Macbeth" oder "schwarze Witwe" bezeichnet. Bis zu ihrem Tod zeigte die Ehefrau des albanischen Diktators Enver Hoxha keine Reue über die Verbrechen ihres Regimes gegen Andersdenkende. Sie selber wurde fast 100 Jahre alt. Am Dienstag verstarb sie.
Nexhmije Xhuglini wurde in Bitola geboren (damals Jugoslawien, heute Nordmazedonien) wuchs jedoch in Tirana auf. Sie gehörte zu den wenigen Mädchen, die damals im noch osmanisch geprägten Albanien zur Schule gehen durften. Als Schülerin gehörte sie noch der faschistischen Jugend an. Als 20-Jährige trat sie der von ihrem späteren Ehemann angeführten Kommunistischen Partei Albaniens (PKSH) bei und gab bald darauf ihren Job als Grundschullehrerin auf, um als Partisanin gegen die deutsche Besatzung zu kämpfen.
"Sie verkörperte den Aufbruch der jungen Generation, besonders der jungen Frauen, die `die Hälfte des Himmels` in der von Männern dominierten Gesellschaft für sich einforderten und die Seite an Seite mit ihnen als Partisaninen für ein gerechtes und menschliches Albanien kämpften - auch mit der Waffe in der Hand", erklärt der deutsche Historiker, Michael Schmidt-Neke, in einem Interview mit der DW.
Helferin der Diktatur
1945 heiratete sie den zwölf Jahre älteren Enver Hoxha. Im selben Jahr wurde in Albanien eine der grausamsten Diktaturen des 20. Jahrhunderts installiert. Während dieser Zeit bekleidete sie mehrere hohe Ämter. Sie war Direktorin des Marxistisch-Leninistischen Instituts, Abgeordnete im Albanischen Parlament und Mitglied des Zentralkomitees der Partei. "Nexhmije Hoxha war viel einflussreicher als die meisten anderen Gattinnen kommunistischer Führer - Margot Honecker und Elena Ceausescu vielleicht ausgenommen", sagt der deutsche Historiker Schmidt-Neke. "So wurde sie nach dem Tode Enver Hoxhas 1985 nicht aufs Altenteil geschickt, sondern zur Wortführerin des "konservativen" (also reformfeindlichen) Parteiflügels, gegen die sich Hoxhas Nachfolger Ramiz Alia nur teilweise durchsetzen konnte", so Schmidt-Necke.
Über 6.000 Menschen wurden während der Diktatur hingerichtet: darunter auch viele, nur weil sie einen weicheren, sozialdemokratisch orientierten Sozialismus wollten oder weil sie das falsche Gedicht schrieben oder trotz Verbots religiöse Rituale organisierten. Über 34.000 wurden inhaftiert, ca. 1.000 starben in der Haft und über 59.000 verbrachten ihr Leben in Internierungslagern.
Keine Reue
Bereut oder bedauert hat sie die Verbrechen ihres Regimes bis zum letzten Atemzug nie - im Gegenteil: In einem Spiegel-Interview von 2004 rechtfertigte sie die Verbrechen an unschuldigen Menschen. "Unsere auswärtigen Feinde verbündeten sich mit den Widersachern in unserem Land. Deshalb mussten wir deren Familien zerstören und haben Querulanten samt ihren Verwandten aus Tirana ausgewiesen und zu Geiseln gemacht. Sie waren es dann, die die Aufrührer des Widerstands anflehten: Gebt die Opposition auf, sonst werden wir alle bestraft. Brüder, Cousinen, Eltern - wir haben sie alle leiden lassen, um unser gerechtes Ziel zu erreichen", so Hoxha.
Welche Rolle sie ganz genau hatte, als ihr Mann noch lebte, ist bis jetzt noch unklar. Es wird vermutet, dass sie, insbesondere in dem letzten Jahrzehnt vor seinem Tod die Geschicke des Landes in die Hand nahm. In dieser Zeit wurden auch viele Parteifreunde beseitigt, was ihr den zweifelhaften Ruf einer "Lady Macbeth" eintrug.
Keine Vergangenheitsbewältigung
Dennoch wurde die "First Genossin" der Albanischen Diktatur nie wirklich zur Rechenschaft gezogen. Fünf Jahre verbringt sie dennoch in Haft, von 1992-97, in einem Prozess, der viele Verfahrensfehler aufwies, von dem letztlich nur ein Urteil wegen Veruntreuung von Geldern übrig blieb. "Zur richtigen Vergangenheitsbewältigung hat der Gerichtsprozess nicht geführt", sagt Armand Plaka, ein Journalist aus Tirana.
Nach der Haftentlassung 1997 lebte sie weiterhin in einfachen Verhältnissen, doch umgeben von Büchern ihres Mannes und überzeugt davon, dass Albanien auf dem richtigen Weg war. Bis vor einigen Tagen veröffentlichte sie noch Memoiren, um das Bild ihres Mannes zu rehabilitieren. In einem Interview vor einigen Jahren, sagte die sonst überzeugte Atheistin, ihr einziger Wunsch sei es, jetzt zu Ihrem Mann zu gehen. Am Dienstag verstarb sie im Alter von 99 Jahren. Hinterlassen hat sie ein Albanien, das auch 30 Jahre nach dem Ende ihres Regimes nicht zur Ruhe findet und immer noch tief gespalten ist.