Neuer Wenders-Film beim Filmfestival Toronto
7. September 2017In den letzten Jahren schien es, als ob das Filmfestival in Toronto der fast gleichzeitig stattfindenden altehrwürdigen Konkurrenz in Venedig den Rang abgelaufen hätte. Toronto bot vor allem den nordamerikanischen Verleihern und Produzenten bessere Arbeitsbedingungen und ein aussichtsreicheres Geschäft. Venedig geriet ins Hintertreffen, viele bekannte Regiegrößen zogen Kanada Italien vor.
Toronto steht 2017 im Schatten von Venedig
Schaut man auf das Programm der beiden Festivals in diesem Jahr, so scheint der Trend gestoppt. Der diesjährige Venedig-Jahrgang (die 74. Ausgabe endet am 9. September) wartet mit wesentlich mehr Regiestars auf als Toronto. Doch das kanadische Festival (7.9.-17.9) hat natürlich auch in diesmal einiges zu bieten, in den vielen Festivalsektionen tummeln sich Talente und Newcomer, etablierte Regisseure aller Weltkontinente – und auch ein paar künstlerische Schwergewichte.
Ausgerechnet Deutschland, in Venedig in diesem Jahr ein wenig im Hintertreffen, präsentiert mit Wim Wenders einen der ganz Großen der Kinoszene. Wenders zeigt in Welturaufführung in Toronto seinen neuesten Film "Submergence". International besetzt mit Oscar-Gewinnerin Alicia Vikander und mit James McAvoy, ist "Submergence" eine Mischung aus Liebesgeschichte und Thriller. Danny (Vikander) und James (McAvoy) lernen sich in der Normandie kennen und lieben. Doch die Vergangenheit holt das jung verliebte Paar ein. James, der als verdeckt arbeitender Agent in Somalia eine Terroristeneinheit aufgedeckt hat, wird von Dschihadisten entführt.
Wenders ist auch in Toronto-Jury vertreten
Der Regisseur ist zudem in diesem Jahr Mitglied der Jury in der Wettbewerbssektion "Platform", wo auch der neue Film der österreichischen Regisseurin Barbara Albert "Licht" gezeigt wird. Das Historiendrama basiert auf dem Bestseller "Am Anfang war die Nacht Musik" der Schriftstellerin Alissa Walser. Wenders' Film wird nach Toronto am 22.9. das Filmfestival in San Sebastian eröffnen. Der deutsche Kinostart ist für den 15. Februar 2018 vorgesehen.
Auch der deutsche Regisseur Robert Schwentke, der zuletzt in Hollywood gearbeitet hatte, darf mit seinem neuesten Opus in Kanada Weltpremiere feiern. Sein Film "Der Hauptmann" erzählt eine wahre Geschichte aus den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs. Der 19-jährige Gefreite Willi Herold (Max Hubacher) wird in Norddeutschland als Deserteur gejagt - bis er zufällig die Uniform eines hohen Luftwaffenoffiziers findet und sie überstreift. Er sammelt eine Gruppe Soldaten um sich und errichtet ein Schreckensregiment. Herold wurde auch "der Henker vom Emsland" genannt.
Deutsche Netflix-Serie in Toronto
Auf großer Leinwand wird auch erstmals die neue Netflix-Serie "Dark" des in der Schweiz geborenen Regisseurs Baran bo Odar gezeigt. "Dark" wurde komplett in Deutschland produziert und gedreht. Thematisch knüpft Baran bo Odar an seinen erfolgreichen Spielfilm "Das letzte Schweigen" an. Wie im Film von 2010 geht es auch in "Dark" um den Verlust von Kindern, daraus erwachsene Familienzerwürfnisse sowie um die Verknüpfung mehrerer Zeitebenen.
Als deutsche Co-Produktion läuft in Toronto auch der neue Film des zweifachen dänischen Goldene-Palme-Gewinners Bille August, "55 Steps", in dem u.a. Hilary Swank und Helena Bonham Carter mitspielen. "55 Steps" setzt sich mit dem Schicksal von Patienten in der Psychiatrie auseinander und plädiert für einen humaneren Umgang dort.
Breites Angebot des deutschen Kinos beim Festival
Insgesamt werden 41 deutsche Filme und Co-Produktionen beim Festival in der kanadischen Metropole gezeigt. Erstmals auf dem nordamerikanischen Kontinent laufen auch die neuen Filme von Fatih Akin ("Aus dem Nichts"), Valeska Grisebachs "Western", aber auch kleinere Produktionen wie "Sommerhäuser" von Sonja Maria Kröner, die zuvor alle schon auf europäischen Festivals Premiere gefeiert hatten.
Vor dem Hintergrund der aktuellen deutsch-türkischen Spannungen dürfte auch der Film des jungen deutsch-türkischen Regisseurs Hüseyin Tabak auf Interesse stoßen. Tabak porträtiert in "The Legend of the Ugly King" den 1984 verstorbenen kurdisch-türkischen Regisseur Yilmaz Güney, der während seiner aktiven Schaffenszeit immer wieder mit den Behörden in seinem Heimatland in Streit geriet. Güney wurde zu hohen Haftstrafen verurteilt und saß mehrere Jahre im Gefängnis. Später gelang ihm die Flucht nach Frankreich. 1982 gewann sein Film "Yol" die Goldene Palme in Cannes.