Film-Boom in Westafrika
30. April 2018Wenn Anurin Nwunembom von der Schauspielerei spricht, schauen ihn knapp 40 Jugendliche mit leuchtenden Augen an. "Um euch richtig auf eine Rolle vorzubereiten, müsst ihr zunächst mindestens neun Mal das Skript durchlesen", sagt Nwunembom und alle Köpfe nicken. Auch der von Filden Mojoko. "Hollywood, das ist mein Traum", sagt die 23-jährige Politik-Studentin.
Viele beim Schauspiel-Workshop haben den selben Traum: groß rauskommen in Hollywood! Oder in der riesigen nigerianischen Filmbranche Nollywood. Oder zumindest hier, im kleinen englischsprachigen Teil Kameruns. Sie sind zum internationalen Filmfestival nach Buea gekommen, bei dem auch ein Workshop für angehende Schauspieler stattfindet. "Jeder ist fasziniert vom Glamour und der Aufmerksamkeit", sagt Trainer Anurin Nwunembom. "Sie wollen Teil davon sein und das Leben eines Stars führen."
Traum trifft Realität
Doch Nwunembom kennt die harte Realität des Geschäftes. Es gibt kaum staatliche Förderung, kaum gute Ausbildungsmöglichkeiten, kaum Geld. Nwunembom ist einer von wenigen, die im Westen Kameruns vom Film leben können. Produktionsbudgets liegen teilweise bei 2500 Dollar für einen kompletten Film, da bleibt für die Schauspieler oft nichts übrig. Wer Glück hat, kann sein Werk an einen ausländischen Fernsehsender verkaufen. Sonst hofft man auf Spenden von Politikern oder Geschäftsleuten bei Film-Premieren. Oder lässt fliegende Händler CDs für weniger als einen Euro das Stück verkaufen. "Es ist die Leidenschaft, die uns antreibt", sagt Nwunembom. "Wir haben ein großes Problem, denn eine richtige wirtschaftliche Film-Industrie gibt es hier nicht."
Das Filmfestival in Buea - das Cameroon International Film Festival - soll den Umschwung anstoßen, hofft Agbor Gilbert Ebot. Der Filmproduzent hat das Festival vor drei Jahren ins Leben gerufen, auch um potentielle Film-Käufer aus dem englischsprachigen Ausland anzulocken. Ebot und sein kleines Team sind während des Festivals im Dauerstress: Filmausstrahlungen organisieren, Künstler vom Flughafen abholen, VIPs hoffieren, Stühle in Veranstaltungsräume schleppen. Und ganz nebenbei noch irgendwie versuchen, dringend notwendiges Sponsoring zu bekommen. "Die Firmen in Kamerun respektieren nicht ihre soziale Verantwortung", sagt Ebot. "Und auch die Regierung hat nicht genug getan." Kaum ein hochrangiger Regierungsvertreter lässt sich überhaupt auf dem Festival blicken.
Festival im Konfliktgebiet
Der englischsprachige Teil Kameruns ist eine Minderheit im hauptsächlich frankophonen Land, nur jeder fünfte Kameruner ist anglophon. Weite Teile der Bewohner hier fühlen sich von der Regierung in der Hauptstadt Yaoundé benachteiligt. Friedliche Proteste im letzten Jahr wurden von der Regierung teils brutal niedergeschlagen. Seitdem haben sich mehrere Rebellentruppen gegründet, die mit Gewalt für die Unabhängigkeit kämpfen.
Auch in Buea ist die Lage angespannt. In der Nacht patrouillieren schwer bewaffnete Militär-LKWs in der Stadt. Wer keinen Ausweis bei sich hat, wird direkt eingesperrt. Und so muss Festival-Chef Ebot schon mal früh um sechs Uhr in der Polizeistation vermitteln, weil drei Festival-Gäste am Abend ohne Ausweis unterwegs waren und deshalb die Nacht auf dem Boden einer stinkenden Polizeizelle verbringen mussten.
Das nächste Nollywood?
Trotz aller Probleme: Es gibt Grund zum Optimismus, da ist sich Zack Orji sicher. Der Nollywood-Veteran aus Nigeria hat bereits mehrere Filme in Kamerun gedreht. Beim Festival holt er nicht nur einen Preis für sein Lebenswerk ab, sondern ist ebenfalls einer der Trainer im Schauspiel-Workshop. "Wir wollen ihnen helfen, die lokale Industrie aufzubauen und dahin zu kommen, wo Nollywood ist", sagt Orji gegenüber der DW. Nollywood ist in Nigeria mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftszweig, produziert mehr Filme als Hollywood. Der Filmemacher und Schauspieler Orji will mit seiner Firma zukünftig noch mehr lokalen Content auf dem ganzen Kontinent produzieren und einkaufen. Für eine Produktion in Ghana brauchte er vor kurzem Schauspieler aus Ruanda – doch er fand nicht genug geeignete Kandidaten. Also organisierte er einen Workshop für Schauspielanfänger. Mehr als 400 kamen, einige nahm er direkt unter Vertrag. Weitere Workshops sollen folgen, bis zu 3000 Schauspieler in einem Jahr ausgebildet werden. Die Nachfrage, so Orji, sei riesig.
Die Filmindustrie als Jobmotor und Wirtschaftszweig, darauf hofft auch Schauspiellehrer Anurin Nwunembom. Trotz finanzieller Schwierigkeiten habe sich die Qualität der Filme in den letzten Jahren drastisch verbessert. Das zeigen auch die kamerunischen Filme auf dem Festival. Filmemacher und Schauspieler müssen weiter geduldig sein und auf ihre Stärke setzen, gibt Nwunembom seinen Schülern mit auf den Weg. Hindernisse sollen sie als Chance sehen, um die eigene Kreativität auszuleben.