Feuerpause im Gazastreifen gebrochen
20. Juli 2014Sie sollte zwei Stunden dauern, doch nach knapp einer Stunde war es mit der Waffenruhe im Gazastreifen vorbei. Hamas-Kämpfer hätten das Feuer auf israelische Soldaten eröffnet, sagte eine Armeesprecherin. Daraufhin habe das israelische Militär den Beschuss erwidert. Zuvor hatten sich beide Seiten nach den schwersten Kämpfen mit der bisher höchsten Opferzahl zu einer zweistündigen Waffenruhe bereit erklärt. Die Waffenruhe erfolgte auf Drängen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz.
Die Waffenruhe sollte dazu dienen, die Verwundeten und Toten aus dem östlichen Stadtteil Sadschaija zu bergen. Dort waren bei einem Angriff der israelischen Streitkräfte am Sonntagvormittag mindestens 50 Menschen getötet worden, wie palästinensische Ärzte mitteilen. Weitere 400 Menschen seien verletzt worden. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministerium befinden sich zahlreiche Zivilisten unter den Opfern. Demnach hat sich das Feuer auf den Osten der Stadt Gaza, auf Sadschaija konzentriert, wo die israelische Armee intensiv mit Raketen und Granaten vorgeht.
Aus Sadschaija befindet sich nun die Bevölkerung auf der Flucht. Sanitäter seien auf der Suche nach weiteren Opfern, wie der Direktor des örtlichen Krankenhauses Schifa, Naser Tattar, mitteilte.
Israel hatte in der Nacht seine Offensive ausgeweitet. Insgesamt sind seit Beginn der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen vor knapp zwei Wochen nach palästinensischen Angaben fast 400 Menschen getötet worden.
Hamas leistet heftigen Widerstand
Israel meldet seinerseit inzwischen insgesamt sieben Tote. Wie Militärsprecher Lerner am Sonntagmorgen mitteilte, leistete die Hamas bei Israels Suche nach Tunneleingängen im Gazastreifen heftigen Widerstand. "Hamas versucht, diese Tunnel zu retten", beschrieb Lerner den Verlauf der Bodenoffensive. Es gebe schwere Gefechte mit militanten Palästinensern an verschiedenen Orten. Bislang seien 14 Tunnel mit 36 Zugangspunkten gefunden worden. Sie sollten nach gründlicher Untersuchung mit Sprengstoff zum Einstürzen gebracht werden. "Einige dieser Tunnel sind eigentlich Bunker", sagte Lerner. Es seien dort auch viele Waffen gelagert worden.
Das Tunnelsystem dient nach israelischer Darstellung dazu, die Abriegelung des Gazastreifens zu überwinden, die Hamas mit Waffen zu versorgen und palästinensische Attentäter nach Israel zu schaffen. Inzwischen setzten die Streitkräfte eine große Zahl von Bodentruppen ein. Die Korrespondentin des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira berichtete, Israel habe auch den Beschuss aus Panzerkanonen verstärkt.
Der Hamas-Mann war nicht zu Hause
Die israelische Luftwaffe hatte in Sadschaija unter anderem das Haus eines führenden Hamas-Mitglieds ins Visier genommen, nach palästinensischen Angaben starben dabei vier Menschen. Die Opfer seien der Sohn des Hamas-Führers, die Ehefrau des Sohnes, ihre Tochter und ein Nachbar gewesen. Der Hamas-Aktivist sei zur Zeit des Angriffs nicht zu Hause gewesen. Aus Schedschaija im Osten der Stadt Gaza wird eine regelrechte Fluchtwelle gemeldet.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon beginnt an diesem Sonntag seine Vermittlungsbemühungen zunächst in der katarischen Hauptstadt Doha. Wie die Vereinten Nationen in New York weiter mitteilten, werde Ban danach nach Kuwait, Kairo, Jerusalem, Ramallah im Westjordanland und in die jordanische Hauptstadt Amman fahren. Ziel der Reise sei es, Israelis und Palästinensern zu helfen, die Gewalt zu beenden. Ban werde am Ende der Woche nach New York zurückkehren.
Ebenfalls in Katar trifft Palästinenserpräsident Mahmud Abbas Hamas-Exil-Chef Chaled Meschaal zu Beratungen über den Konflikt. Das Land wurde seit dem 8. Juli nach einer Mitteilung der Streitkräfte mit mehr als 1770 Raketen aus dem Gazastreifen beschossen. Davon seien 360 von Raketenabwehrsystem abgefangen worden. An jenem 8. Juli hatte Israel auch damit begonnen, wieder Stellungen der Hamas anzugreifen.
Unerträgliche Lage der Bevölkerung
Für die Zivilbevölkerung in Gaza wird die humanitäre Lage immer unerträglicher. Zur permanenten Todes- und Verletzungsgefahr gesellen sich langanhaltende Stromausfälle und der Zusammenbruch der Wasserversorgung. Immer mehr Menschen fliehen vor den israelischen Angriffen. 61.500 Palästinenser hätten in den Schulen des Flüchtlingshilfswerks UNRWA Schutz gesucht, teilte dessen Sprecher Chris Gunness mit. Das seien mehr als beim letzten großen bewaffneten Konflikt in Gaza um die Jahreswende 2008/09, fügte Gunness hinzu.
Auslöser der jüngsten Eskalation der Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur. Ein Ende des blutigen Schlagabtausches ist also nicht in Sicht. Ägypten warb erneut für seinen Fahrplan für eine Waffenruhe. Doch der hat bei den Konfliktparteien alles andere als Begeisterung ausgelöst.
zam/ml/kle (dpa, rtr, afp)