Die Kim-Festspiele in Pjöngjang
6. Mai 2016Der erste Kongress der herrschenden Kommunistischen Partei seit 1980 ist ein Mysterium. Viel wurde im Vorfeld nicht über das Ereignis bekannt. Nicht einmal die Dauer der Versammlung wurde genannt. Einziger veröffentlichter Tagesordnungspunkt für den Freitag: eine Rede Kim Jong Uns. Ob sich der Machthaber zu den laufenden Sanktionen gegen sein Land und der internationalen Kritik an den Raketentests äußern wird, ist ungewiss. Und selbst wenn er es tun sollte, ist immer noch die Frage, was davon nach außen dringt.
Zwar sind rund hundert ausländische Journalisten für den Kongress akkreditiert, doch bislang wurde ihnen nur ein Blick auf das Veranstaltungsgebäude gestattet – von außen. Das "Haus der Kulturen" ist mit roten Parteiflaggen dekoriert. Auch der Rest der Stadt hat sich für das Polit-Spektakel herausgeputzt. Journalisten berichten von zahlreichen Arbeitern und Studenten, die in den letzten Tagen die Straßen der Hauptstadt für die zahlreichen Paraden und Kundgebungen auf Vordermann gebracht haben.
Angespannte Lage auf der Halbinsel
Die Partei der Arbeit Koreas, kurz PdAK, ist die zentrale politische Vereinigung im Land. Sie hat Schätzungen zufolge zwischen drei und vier Millionen Mitglieder – bei einer Gesamtbevölkerung von rund 25 Millionen. Der Kongress der PdAK kommt zu einem Zeitpunkt, da sich die Situation in der Region nach dem vierten nordkoreanischen Atomtest im Januar und einem Langestreckenraketentest wenig später zunehmend verschärft hat.
Der Zeitpunkt der Veranstaltung ist nach Ansicht von Eric Ballbach vom Institut für Koreastudien an der Freien Universität Berlin in erster Linie symbolpolitisch gewählt. "Es ist davon auszugehen, dass Kim Jong Un jetzt ein Zeichen setzen will - um zu zeigen, dass er seine Herrschaft konsolidiert hat. Und er möchte die Partei als wichtigste politische Institution wieder ins Zentrum der Macht rücken." In diesem Punkt orientiert sich der Politikstil des aktuellen Führers nicht an seinem Vater und Vorgänger im Amt, sondern an seinem Großvater, dem "Ewigen Präsidenten" und Staatsgründer Kim Il Sung. "Kim Jong Un will die Partei weitaus stärker in seiner Herrschaftsbildung nutzen, wohingegen Kim Jong Il für die Militär-Zuerst-Politik stand und sich auf das Militär als wichtigste politische Institution verlassen hat."
Große Bühne für Kim
Kim Jong Un wird den Parteikongress vor allem nutzen, um sich selbst in Szene zu setzen, ist Ballbach überzeugt. "In der Regel wird ein Parteikongress für die Partei abgehalten. Bei diesem allerdings wird sich alles um die Person Kim drehen. Es wird eine Art öffentliche Krönungszeremonie werden." Der junge Machthaber setze traditionell sehr auf das Element der Inszenierung. "Ob es darüber hinaus auch konkrete Ergebnisse im Sinne eines Politikwandels oder eine entsprechende Weichenstellung geben wird, wird sich erst zeigen." Dass es personelle Veränderungen innerhalb der Parteispitze geben wird – davon ist Ballbach allerdings überzeugt. "Das ist ein Hauptgrund, warum diese Art von Parteikongressen in sozialistischen Ländern abgehalten wird: Die Bestimmung des Personals für wichtige Parteiinstitutionen spielt da eigentlich immer eine große Rolle.
Als Kim Jong Un nach dem plötzlichen Tod seines Vaters Ende 2011 an die Macht kam, da war er ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Immer wieder gab es damals auch Spekulationen darüber, wie fest der politisch unerfahrene junge Mann tatsächlich im Sattel saß oder ob nicht vielmehr andere im Hintergrund die Strippen ziehen würden. "Damit soll es ein für alle Mal vorbei sein", erklärt Ballbach. "Der Kongress ist als Machtdemonstration gedacht. Dafür sprechen auch die sehr provokanten außenpolitischen Maßnahmen der vergangenen Monate: der Atomtest sowie diverse Raketentests. All das soll letztlich dazu führen, dem politischen Erbe Kim Jong Uns jetzt schon etwas Futter zu geben."
Abgeschottetes Treffen
Die Veranstaltung diene zwar auch dazu, die Einheit des Volkes unter der Führung von Kim nach außen zu dokumentieren. In erster Linie aber stelle der Parteikongress ein innenpolitisches Signal dar. Der 6. und bislang letzte Parteikongress fand 1980 statt und fiel damit noch unter die Führung des 1994 verstorbenen Staatsgründers Kim Il Sung. "Bei dieser Gelegenheit wurde Kim Jong Il zum ersten Mal vor den Augen der nordkoreanischen Öffentlichkeit als Nachfolger seines Vaters Kim Il Sung dargestellt, auch wenn die Personal-Entscheidung bereits 1972 gefallen war."
Das Ganze damals nicht nur vor den mehr als 3000 Delegierten, sondern auch unter den Augen ausländischer Gäste. Nach südkoreanischen Medienberichten waren fast 180 Vertreter aus knapp 120 Ländern vor Ort. Beim 5. Kongress im Jahr 1970 waren dagegen keine Vertreter anderer Länder eingeladen. "Das Ganze wird auch diesmal in erster Linie hinter verschlossenen Türen stattfinden", meint auch Eric Ballbach von der FU Berlin. "Natürlich werden Bilder ins Land und in die Welt hinaus geschickt, aber über konkrete Einladungen an ausländische Gäste liegen mir keine Informationen vor."
Nicht nach festem Schema
Theoretisch tritt der Parteikongress der nordkoreanischen Arbeitspartei alle fünf Jahre zusammen, schreibt Nordkorea-Experte Rüdiger Frank in seinem vor zwei Jahren erschienen Buch "Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates". In der Praxis allerdings seien die Abstände fast immer davon abgewichen: 1946 fand der erste Parteitag statt, die folgenden dann 1948, 1956, 1961 und 1970. "Die lange Pause seit 1980 ist trotzdem ungewöhnlich", heißt es weiter. "Auf entsprechende Nachfrage wurde mir in Nordkorea erklärt, dass Parteitage nur dann stattfänden, wenn etwas Außergewöhnliches passiert oder zu entscheiden sei. Offenbar fielen weder der Kollaps der Sowjetunion und des Ostblocks noch der Tod von Kim Il Sung 1994 oder die Hungersnot in den Jahren 1995 bis 1997 in diese Kategorie."