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Politik

"Cumhuriyet"-Festnahmen international verurteilt

31. Oktober 2016

Die Festnahme von Redakteuren der letzten regierungskritischen Zeitung in der Türkei stößt international auf scharfe Kritik. Die türkische Regierung schweigt derweil zu dem Vorgehen gegen "Cumhuriyet".

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Demonstration vor dem Cumhuriyet-Gebäude gegen die Verhaftungen
Demonstration vor dem Cumhuriyet-Gebäude gegen die Verhaftungen Bild: DW/K. Akyol

Erneut Razzia gegen die türkische Presse

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat die Festnahme von Redakteuren der türkischen Tageszeitung "Cumhuriyet" verurteilt. "Die jüngste Welle von Festnahmen ist ein neuer Schlag gegen die Pressefreiheit in der Türkei", sagte die OSZE-Beauftragte für Pressefreiheit Dunja Mijatovic. Seit dem gescheiterten Militärputsch im Juli seien mehr als 125 Medien geschlossen und rund 120 Journalisten verhaftet worden, kritisierte Mijatovic. Die Anti-Terror-Gesetzgebung sowie andere Gesetze würden zur Einschränkung der Arbeit der Presse eingesetzt. "Dieser besorgniserregende Trend muss sofort beendet werden", forderte die OSZE-Expertin in Wien.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sieht mit den Festnahmen "eine weitere rote Linie" in der Türkei überschritten, wie er auf Twitter mitteilte. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin: "Die Bundesregierung hat wiederholt - und das will ich hier auch noch einmal tun - ihrer Sorge Ausdruck gegeben über das Vorgehen gegen Presse in der Türkei und gegen Journalisten in der Türkei."

Auch  Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisierte die jüngsten Repressionen gegen Journalisten und Medien in der Türkei. "Die Schikanen gegen "Cumhuriyet" und pro-kurdische Zeitungen zeigen die Geringschätzung der türkischen Regierung für abweichende Meinungen", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Der Ausnahmezustand darf Grundrechte wie die Pressefreiheit nicht aussetzen. Wir fordern die türkische Regierung auf, die inhaftierten Journalisten unverzüglich freizulassen." Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die Türkei bereits vor dem Putschversuch im Juli und der anschließenden Ausrufung des Ausnahmezustands auf Rang 151 von 180 Staaten.

Ein Polizist vor der Cumhuriyet-Zentrale in Istanbul
Ein Polizist vor der Cumhuriyet-Zentrale in IstanbulBild: Getty Images/AFP/O. Kose

Nach der Schließung zahlreicher kritischer Medien haben die türkischen Behörden nun die wichtigste verbliebene Oppositionszeitung "Cumhuriyet" ins Visier genommen. Chefredakteur Murat Sabuncu und mindestens zwölf weitere Mitarbeiter des Blattes seien festgenommen worden, sagte "Cumhuriyet"-Redakteurin Ayse Yildirim der Deutschen Presse-Agentur. Insgesamt habe die Staatsanwaltschaft die Festnahme von 19 Mitarbeitern wegen des Verdachts der Unterstützung von Terrororganisationen angeordnet. Darunter seien auch der Vorstandsvorsitzende Akin Atalay, der im Ausland sei, sowie der im Exil in Deutschland lebende Ex-Chefredakteur Can Dündar.

Die Staatsanwaltschaft wirft der Zeitung vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen unterstützt zu haben. Die Regierung beschuldigt Gülen, für den Putschversuch gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Mitte Juli verantwortlich zu sein. In der Türkei ist Gülens Bewegung - wie auch die PKK - als Terrororganisation eingestuft.

Die "Cumhuriyet"-Redaktion wies die Vorwürfe entschieden zurück und kritisierte die Festnahmen als "inakzeptabel und rechtswidrig". "Cumhuriyet" berichtete, die Staatsanwaltschaft habe beschlossen, dass den Festgenommenen fünf Tage lang der Kontakt zu Anwälten untersagt werde. Nach den derzeit in der Türkei geltenden Notstandsdekreten kann auf Beschluss der Staatsanwaltschaft die ersten fünf Tage nach der Festnahme der Kontakt zum Anwalt verwehrt werden. Verdächtige müssen außerdem erst nach 30 statt bislang vier Tagen in Polizeigewahrsam einem Haftrichter vorgeführt werden.

Der türkische Regierungssprecher Numan Kurtulmus wollte das Vorgehen gegen "Cumhuriyet" aus Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz nicht kommentieren. Vor dem Redaktionsgebäude versammelten sich Demonstranten und riefen: "Unterdrückung bringt uns nicht zum Schweigen!"

Die Zeitung war erst im September mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden. Die Right Livelihood Award Stiftung hatte mitgeteilt, "Cumhuriyet" erhalte den Preis "für ihren unerschrockenen investigativen Journalismus und ihr bedingungsloses Bekenntnis zur Meinungsfreiheit trotz Unterdrückung, Zensur, Gefängnis und Morddrohungen". Die Stiftung kritisierte die Festnahmen jetzt als Beleg dafür, "dass das Regime nicht zögert, kritische, abweichende Stimmen zu unterdrücken".

Stu/uh (ap, dpa, rtr)