Diplomatischer Eklat um britischen Botschafter
12. Januar 2020Nach seiner kurzzeitigen Inhaftierung hat der britische Botschafter Rob Macaire einen Bericht über seine Teilnahme an Protestkundgebungen gegen die iranische Regierung zurückgewiesen. Er habe sich an "keinen Demonstrationen" beteiligt, erklärte Macaire auf Twitter. Vielmehr sei er zu einer "Veranstaltung gegangen, die als Trauerwache für die Opfer der Tragödie von Flug PS752 angekündigt war", fügte er hinzu. Seine Festnahme bezeichnete er als illegal.
Der Iran hatte am Samstag nach tagelangem Leugnen zugegeben, dass der Absturz der ukrainischen Passagiermaschine am Mittwoch nicht auf einen Defekt zurückging, sondern durch Raketenbeschuss verursacht wurde. Dies sei unabsichtlich geschehen. Die Revolutionsgarden übernahmen die Verantwortung. Alle 176 Insassen starben, darunter viele Iraner mit doppelter Staatsbürgerschaft.
Nach dem Eingeständnis kam es in mehreren iranischen Städten zum Samstagabend hin zu Protesten, darunter in Teheran, wo Tausende gegen den politischen und religiösen Führer Ajatollah Ali Chamenei demonstrierten und "Tod dem Diktator" skandierten. Die Polizei setzte Tränengas gegen die Demonstranten ein.
Schwere Vorwürfe
Nach einer Meldung der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim wurde der britische Botschafter wegen der "Beteiligung an der Anstiftung" der Proteste festgenommen. Er werde beschuldigt, Demonstranten provoziert zu haben, "radikale Aktionen" durchzuführen, hieß es. Der Diplomat sei nach "einigen Stunden" wieder freigelassen worden.
Macaire erklärte hingegen, es sei für einen Diplomaten völlig "üblich, den Opfern seine letzte Ehre zu erweisen", zumal auch britische Staatsangehörige unter ihnen waren. Er sei nach rund fünf Minuten wieder gegangen, als erste regierungsfeindliche Slogans ertönt seien, erklärte er auf Englisch und Farsi. Eine halbe Stunde später sei er festgenommen worden. Macaire fügte hinzu, die Festnahme von Diplomaten sei "illegal, in allen Ländern".
London empört
Der britische Außenminister Dominic Raab erklärte zwischenzeitlich: "Die grundlose und unbegründete Festnahme unseres Botschafters in Teheran ist eine ungeheuerliche Verletzung internationalen Rechts." Die iranische Regierung stehe "an einem Scheideweg". Sie könne ihren Marsch in Richtung eines Außenseiterstatus weitergehen mit aller politischer und wirtschaftlicher Isolation. Oder sie könne deeskalierende Schritte einleiten und sich auf einem diplomatischen Weg nach vorn bewegen.
Eine Sprecherin des US-Außenministeriums warf Teheran vor, das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen zu verletzten, und forderte eine Entschuldigung gegenüber London. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mahnte auf Twitter die "umfassende Einhaltung der Wiener Konvention" an.
Dagegen forderte der iranische Abgeordnete Alaeddin Borudscherdi die Ausweisung des britischen Botschafters. "Als Botschafter sollte man die Gesetze und Vorschriften eines Landes kennen und die diplomatischen Kriterien respektieren", sagte Borudscherdi am Sonntag. Ein Diplomat, der an Protestkundgebungen teilnehme, die innere Angelegenheiten des Iran betreffen, habe "im Iran nichts zu suchen", verlangte der ehemalige Vizeaußenminister nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Tasnim.
Trump zeigt sich solidarisch
US-Präsident Donald Trump sicherte den regierungskritischen Demonstranten im Iran seine Unterstützung zu. Er schickte inhaltsgleiche Twitter-Nachrichten auf Englisch und auf Persisch an das "tapfere, leidgeprüfte Volk" im Iran. Mit Blick auf die Demonstranten schrieb Trump: "Wir verfolgen Ihre Proteste aufmerksam und lassen uns von Ihrem Mut inspirieren." In einem weiteren Tweet forderte Trump, die iranische Regierung müsse Menschenrechtsorganisationen erlauben, "die anhaltenden Proteste des iranischen Volkes" zu beobachten und darüber zu berichten. "Es kann weder ein weiteres Massaker an friedlichen Demonstranten noch eine Abschaltung des Internets geben. Die Welt sieht zu."
kle/mak (afp, dpa, rtr)