Felix und die Bäume
20. Juni 2010Felix Finkbeiner lebt im kleinen Dörfchen Pähl zwischen Starnberger See und Ammersee in Bayern. Im Schulbus legt er den Hebel einfach um. Mit seinen beiden Schwestern redet er Deutsch, dann dreht er sich zu ein paar Freunden um und redet in Englisch weiter. Die drei Kinder der Familie Finkbeiner gehen auf die "Munich International School" in der Nähe von Starnberg. Dort ist Englisch Unterrichtssprache. Im Januar 2007 musste Felix ein Referat über den Klimawandel halten. Der Winter war extrem warm, und die Medien waren voll mit Nachrichten, Berichten und Reportagen über den Klimawandel. Die Schreckensmeldungen über den bedrohten Eisbären berührten Felix ganz besonders.
Wangari Maathai als Vorbild
Er bekam die Aufgabe an einem Freitag gestellt, am Montag sollte der damals neunjährige Junge sein Referat in der Schule präsentieren. Zuhause machte er sich an die Arbeit, er fragte seine Eltern und war stundenlang im Internet unterwegs. "Irgendwann am Wochenende habe ich auf einer Website herausgefunden, dass Wangari Maathai aus Kenia in 30 Jahren 30 Millionen Bäume gepflanzt hat", sagt Felix lachend und erinnert sich an den entscheidenden letzten Satz seiner Hausarbeit: "Lasst uns in jedem Land der Welt eine Million Bäume pflanzen."
Danach passierte etwas, was nicht oft mit kindlichen Ideen geschieht. Der Appell des Jungen verpuffte nicht, sondern verwandelte sich in einen Selbstläufer. Seine Lehrer und Mitschüler fanden die Idee klasse. Felix wurde an andere Schulen der Umgebung geschickt, um sein Referat auch dort zu halten. Nur rund zwei Monate später pflanzten die Kinder von Felix' Schule tatsächlich ihren ersten Baum. Es war ein Zierapfel, das weiß Felix noch ganz genau.
Seine Hausarbeit würde er heute allerdings ganz anders schreiben als damals. "Denn jetzt weiß ich, dass es nicht nur um die Eisbären geht. Wir müssen genauso uns retten."
Große Wut über Kopenhagen
Aus dem letzten Satz seines Referats von damals ist in den vergangenen drei Jahren eine Nichtregierungsorganisation für Kinder entstanden. "Plant for the Planet" finanziert sich über Spenden und hat inzwischen in rund 70 Ländern Projekte. Bevor die Kinder den Spaten in die Hand nehmen, besuchen sie eine sogenannte Klimaakademie der Organisation. Dort erzählen Kinder anderen Kindern vom Klimawandel. Im Mai 2010 haben Felix und seine Mitstreiter den millionsten Baum in Deutschland auf dem Bonner Petersberg gepflanzt. Aber der 12-jährige weiß auch, "dass wir mit unseren Bäumen die Probleme nicht lösen können".
Zuhause auf seinem Schreibtisch liegen alte Redemanuskripte und zwei dicke Wörterbücher, deutsch-englisch und englisch-deutsch. Die braucht er für seine Vorträge und für die Schule. Im Schulrucksack steckt ein Notebook, sein wichtigstes Arbeitswerkzeug. Unter dem Schreibtisch liegt ein modernes Skateboard, "wo man beim Tempomachen nicht absteigen muss".
Felix fühlt sich von den Teilnehmern des gescheiterten Klimagipfels in Kopenhagen "verarscht", wie er sagt. In der dänischen Hauptstadt war die Weltgemeinschaft Ende 2009 daran gescheitert, sich auf verbindliche Schritte zu einigen, um die Erderwärmung bis 2050 auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Diese zwei Grad gelten wissenschaftlich als gerade noch beherrschbar. Felix rückt seine silberne Brille auf der Nase zurecht und wirft provozierend die Frage in den Raum, "wer von diesen Politikern im Jahr 2050 überhaupt noch leben" wird.
Er ist sich sicher, dass die Kinder von heute radikal anders leben müssen als ihre Eltern. Für ihn bedeutet das unter anderem, weniger Auto zu fahren und weniger zu fliegen. "Die Flugindustrie hat ja das Argument, dass auch die Putzfrau fliegen können soll. Aber meine Großeltern sind auch nicht geflogen, und sie waren glücklich."
Kind und Eltern
Der 12-Jährige klingt oft sehr erwachsen, viel zu erwachsen, wie manche Journalisten schreiben. Sie sehen die Eltern als treibende Kraft hinter dem Kind. Felix’ Vater hat vor zehn Jahren sein Unternehmen verkauft und die Umweltstiftung Global Marshall Plan gegründet. Auch "Plant for the Planet" ist ohne Felix’ Eltern nicht denkbar. Beim Interview mit der Deutschen Welle waren die Eltern nicht dabei.
Der Junge verweist auf die vielen tausend Kinder, "die auch Bäume pflanzen und auch Vorträge halten, die meisten sogar viel bessere als ich". "Es liegt nicht nur an meinen Eltern", sagt er sehr bestimmt und kritisiert, dass "solche Journalisten schon vor ihrem Besuch bei uns wissen, dass sie schlecht über uns schreiben werden".
Eine riesige Hand
Felix fährt in seiner Freizeit gerne Mountainbike, er spielt gerne Computerspiele, ist bei Facebook unterwegs und trifft sich mit seinen Freunden. Natürlich gibt es Tage, an denen ihm die Arbeit für den Klimaschutz keinen Spaß macht. "Aber meistens macht es total viel Spaß, vor allem, wenn ich reisen kann."
Er hat noch keine Ahnung, was er mal werden will. Aber er will sich auf jeden Fall weiter für den Klimaschutz einsetzen. Sein Lieblingsfach in der Schule ist "Social Studies" - eine Mischung aus Geschichte, Erdkunde und Politik. Aber seit es "Plant for the Planet" gibt, fehlt Felix ziemlich oft in der Schule. Wenn der 12-jährige zu großen Konferenzen eingeladen wird oder wieder irgendwo einen Vortrag halten soll, schreiben ihm seine Eltern eine Entschuldigung. Und wenn es wirklich wichtig ist, dann sind auch Reisen mit dem Flugzeug erlaubt.
Felix war bei den Vereinten Nationen in New York. Dort hat er die Friedensnobelpreisträger Wangari Maathai und Al Gore getroffen. An die Begegnung mit Gore kann er sich noch besonders gut erinnern. "Der hat echt eine riesige Hand. Die war wirklich supergroß." Seit er in China war, will er unbedingt chinesisch lernen, "weil das die neue Supermacht ist und da mehr als eine Milliarde Menschen leben".
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Kay-Alexander Scholz