Neue Ära für die Weltwirtschaft?
17. Dezember 2015"Die Zinsanhebung markiert das offizielle Ende der globalen Finanzkrise für die USA und bildet den Auftakt zu einer Normalisierung der amerikanischen Geldpolitik", sagt David Folkerts-Landau, Chefvolkswirt der Deutschen Bank zur Entscheidung der US-Notenbank, den Leitzins von fast null eine Spanne zwischen 0,25 bis 0,5 Prozent anzuheben.
Viele Investoren würden nun ihr Geld aus den Schwellenländern abziehen, weil es in den USA langsam wieder ordentliche Zinsen gäbe, glaubt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.
Die Finanzierung von Investitionen in den Schwellenländern werde deshalb schwieriger. "Das ist ein Argument, warum das Wachstum in den Schwellenländern weiter nachlassen dürfte", beschreibt Krämer gegenüber der DW die seiner Meinung nach wichtigsten Folgen der Zinserhöhung für die Weltwirtschaft.
Wachstumsprognose für Deutschland leicht gesenkt
Das habe Auswirkungen auf die sehr exportabhängige deutsche Wirtschaft. "40 Prozent unserer Exporte gehen in die Schwellenländer", sagt Krämer. "Deshalb erwarte ich, dass das deutsche Wachstum nachlässt, von geschätzten 1,7 Prozent in 2015 auf 1,3 im kommenden Jahr." Aber selbst 1,3 Prozent Wachstum wären ja nicht schlecht für Deutschland, fügt er hinzu.
Die Fed werde den Leitzins im kommenden Jahr noch mehrfach erhöhen, glaubt Krämer, zum Jahresende 2016 werde er ungefähr bei 1,5 Prozent liegen. "Der Markt erwartet etwas weniger und ist damit meiner Meinung nach etwas zu blauäugig. Er unterschätzt die Stärke der amerikanischen Volkswirtschaft, die mehr Zinsanhebung notwendig macht."
Weiterhin niedrige Zinsen im Euroraum
Die Zinswende in den USA schüre die Hoffnung, dass auch in der Eurozone eine Umkehr bei den Zinsen irgendwann möglich sei, selbst wenn dies noch zwei oder drei Jahre dauern sollte, sagt Ulrich Kater von der Dekabank gegenüber Reuters.
Die meisten Kollegen seiner Zunft sind allerdings anderer Meinung. Für die Europäische Zentralbank (EZB) habe der Zinsentscheid der Fed keine Signalwirkung, meint Klaus Wienert vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Die Kapitalmarktzinsen im Euroraum würden wohl noch sehr lange Zeit auf ihrem extrem niedrigen Niveau verharren.
Ähnlich sieht es Michael Menhart vom Versicherungskonzern Munich Re, schließlich habe die EZB ihre expansive Geldpolitik gerade erst zeitlich ausgeweitet. "Für die EZB heißt der Schritt der Fed erst einmal nicht viel", schließt sich Holger Sandte von der Nordea Bank dieser Meinung an.
Höchste Zeit für die Wende
Insgesamt begrüßen die deutschen Ökonomen die Wende in der amerikanischen Zinspolitik. "Das wurde ja auch wirklich Zeit", sagt Hans-Werner Sinn vom Münchener Ifo-Institut. Durch die jahrelange Nullzinspolitik habe der Zins seine Kontrollfunktion verloren, mit der unterschieden werde zwischen rentablen und unrentablen Anlagen.
Volkswirtschaftlich sei das schlecht, denn es lasse Anleger glauben, die Ressourcen seien unbegrenzt. "Zu niedrige Zinsen verführen auch zu Vermögensblasen, die später platzen und die Banken in Not bringen können", so Sinn.
Ähnlich sieht es Jörg Krämer. Er glaubt, dass mit der Zinsentscheidung der Fed eine neue Ära für die Weltwirtschaft begonnen hat: "Ich bin froh, dass es in den USA jetzt endlich die erste Leitzinsanhebung gegeben hat - nach einem Anlauf von zweieinhalb Jahren."