FDP - Kritik und Krise
15. Dezember 2010Nun scheint die erfolgsgewohnte Partei schwer gebeutelt. Die Liberalen, die seit einem Jahr in der schwarz-gelben Koalition in Berlin mitregieren, verdanken dies einem Wahlergebnis um die 15 Prozent - ein Wert, der selbst optimistischste Selbsteinschätzungen übertraf. Doch das eine Jahr der Berliner Koalition hat viel vom schwarz-gelben Lack abblättern lassen. Besonders die Liberalen durchleiden gerade den Wahrheitsgehalt der deutschen Volksweisheit, die da behauptet "wie gewonnen, so zerronnen".
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Gerade mal vier bis fünf Prozent sehen die Demoskopen noch für die FDP - wobei eine Partei in Deutschland ja mindestens fünf Prozent braucht, um überhaupt in ein Parlament einziehen zu können. Und im nächsten Jahr werden in sieben deutschen Bundesländern neue Landtage gewählt. Kein Wunder, dass FDP-Generalsekretär Christian Lindner meint, die FDP habe harte Arbeit vor sich, um wieder Zustimmung und Glaubwürdigkeit zu erarbeiten.
Genau hier liegt das Problem der Liberalen. Wobei die Nörgler nicht aus dem Lager der politischen Gegner kommen, die der einst selbst erklärten Partei der Besserverdienenden dauernd Verdienst und Erfolg neiden würden. Nein, diesmal werden in den eigenen Reihen Zweifel und Kritik laut. Das Parteivolk murrt, und ein FDP-Landespolitiker aus Norddeutschland sprach gar aus, was seine Chefs nun überhaupt nicht hören wollten.
Die Partei sei in einem desolaten Zustand und ähnle der einstigen DDR in ihrer Spätphase, meint Wolfgang Kubicki, der Fraktionschef der Liberalen im Landtag von Schleswig-Holstein. Auch die DDR habe ja nichts hören wollen und sei dann bekanntlich implodiert. Einen solchen Vergleich wies die FDP-Führung sofort empört zurück. Birgit Homburger, Fraktionschefin im Bundestag, konterte mit dem Vorwurf an den kritischen Landesfraktionschef Kubicki, der engagiere sich ja viel zu wenig in der FDP-Führung. Generalsekretär Christian Lindner pfiff Kubicki ebenfalls zurück, weil der gleich noch Parteichef Guido Westerwelle aufs Korn genommen hatte.
Wie weiter?
Westerwelle selbst gibt sich eher gelassen und regt an, doch lieber mal über die Erfolge der FDP zu reden, als sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Dennoch geht das parteiinterne Gerangel weiter, und der Parteichef gerät zunehmend in die Kritik. Dabei hofft die liberale Parteiführung offenbar auf die Gunst der Zeit: Nach Weihnachten, auf dem traditionellen Dreikönigstreffen der FDP am 6. Januar, könne man die Partei schon wieder auf Linie bringen.
Eine Frage der Zeit?
Fraglich ist aber, ob das Kalkül aufgeht. Denn Weihnachten hin oder her - die Probleme dauern an. Der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, Finanzexperte und Initiator des Liberalen Aufbruchs, bescheinigt seiner Partei, in zentralen Fragen zu häufig einzuknicken. Fragen der Steuerpolitik oder der Stabilität des Euro interessierten die Wähler ganz unmittelbar. Wenn die FDP jetzt Steuern erhöhe - etwa bei der Tabaksteuer oder bei der Luftverkehrsabgabe - dann sei das doch Gegenteil dessen, was man den Wählern bei der Wahl versprochen habe. Das sei ein sehr deutliches Glaubwürdigkeitsproblem, so Schäffler.
Beim Koalitionspartner CDU stößt das Gären in der FDP auf Verwunderung. Wer solche Parteifreunde habe, der brauche ja gar keine keine Feinde mehr, meinte etwa Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Diplomatischer formulierte es CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe: Union und FDP arbeiteten gut und kameradschaftlich zusammen, man wolle den Erfolg der christlich-liberalen Koalition. Dafür, so Gröhe, sei auch der Erfolg der jeweils einzelnen Partei nötig.
Negatives Stimmungsbild
Zu allem Überfluss sorgt nun auch noch ein Stimmungstest für Verstimmung bei der FDP, die sich auch aus wahltaktischen Gründen selbst längst nicht mehr als Partei der Besserverdienenden bezeichnet. Abwegig war die Bezeichnung dennoch nicht. Daher dürfte die jüngste Umfrage des Instituts Allensbach, das so genannte Elite-Panel, der FDP tatsächlich zu denken geben.
Zwar bescheinigen inzwischen 50 Prozent der Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung dem FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle eine gute Arbeit – im Juni war er auf gerade mal acht Prozent gekommen – doch Parteichef Westerwelle ist in den deutschen Chefetagen weit weniger beliebt. 85 Prozent der Befragten sehen in ihm den Hauptgrund für die Probleme der FDP, und fast zwei Drittel hielten es für besser im Sinne der Partei, wenn Westerwelle das Feld räumen würde. Als mögliche Nachfolger nannten die befragten Führungskräfte unter anderen FDP-Generalsekretär Christian Lindner und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Auch Westerwelles Arbeit als Minister fand nicht den Beifall der Führungskräfte - nur zwölf Prozent bewerteten sie als gut. Die Umfrage fand im Auftrag der Wirtschaftszeitschrift "Capital" statt.
Autor: Hartmut Lüning
Redaktion: Klaudia Prevezanos