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Politik

Warten auf Stellungnahme aus Ankara

27. November 2017

Bis heute um Mitternacht hat Ankara Zeit, zum Fall Yücel beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Stellung zu beziehen. Der Anwalt des Journalisten, Veysel Ok, erklärt im DW-Interview, wie es weitergeht.

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Berlin Protest für Deniz Yücel
Bild: Getty Images/AFP/J. McDougall

Die Frist läuft ab: Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wartet man bis heute (28.11.) um Mitternacht auf eine Stellungnahme der Türkei zum Fall des inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Deniz Yücel sitzt seit Februar 2017 in der Türkei in Einzelhaft. Ohne nähere Begründung wird ihm Terrorpropaganda, die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung vorgeworfen. Der EGMR hat auf Yücels Antrag hin zu entscheiden, ob dessen Grundrechte durch die Inhaftierung verletzt sind.

DW: Herr Ok, wann konnten Sie Deniz Yücel das letzte Mal besuchen? Wie geht es ihm? Wie sind seine Gesundheit und seine Verfassung?

Veysel Ok: Ich habe ihn zuletzt am 21. November besucht. Es geht ihm körperlich und psychisch sehr gut. Aber er ist seit neun Monaten in Isolationshaft. Er darf nur seine Anwälte und eine Stunde pro Woche seine Familie sprechen. Sogar auf dem Sportplatz ist er ganz alleine. Er hat also zu niemandem Kontakt. Im Moment geht es ihm gut, wir machen uns aber Sorgen um seine Gesundheit, sollten diese Bedingungen weiter andauern. Diese Art von Isolation kann irgendwann zu einer körperlichen und psychologischen Folter werden.

Was ist der Grund dafür, dass Deniz Yücel - im Vergleich zu anderen inhaftierten Journalisten in der Türkei - so lange in Isolationshaft sitzt?

Tatsächlich ist Deniz Yücel, soweit wir wissen, der einzige Journalist in Isolationshaft in Istanbul. Wir können daher leider sagen, dass Deniz in gewissem Maße eine Sonderbehandlung bekommt. Dass Deniz so isoliert wird, bevor er vor den Richter kommt, ist schon eine Bestrafung an sich. Wir haben bereits mehrmals beantragt, dass Deniz nicht in Einzelhaft gehalten wird. Als Antwort bekamen wir merkwürdige Begründungen, zum Beispiel: "Wir halten ihn aus Sicherheitsgründen in Einzelhaft". Für uns gibt es dafür nur eine Begründung: Deniz wird bestraft, ohne verurteilt zu sein.

Deniz Yücel
Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel ist seit Februar 2017 in türkischer HaftBild: picture-alliance/dpa/K. Schindler

Noch immer gibt es keine Anklageschrift. Was ist Ihr letzter Informationsstand?

Die anderen Anwälte von Deniz und ich gehen jede Woche zur Staatsanwaltschaft. Doch bis heute haben wir leider noch keinen Fuß in das Büro des Staatsanwalts setzen können. Wir haben den Staatsanwalt seit der Inhaftierung von Deniz nicht einmal gesehen. Nach dem türkischen Strafgesetz sammelt der Staatsanwalt nicht nur Beweise, die gegen den Angeklagten sprechen, sondern auch solche, die für ihn sprechen. Dafür muss er mit der Verteidigung im Kontakt sein. Das ist die Praxis im türkischen Recht.

Aber in diesem Fall haben wir seit über neun Monaten weder den Staatsanwalt gesehen, noch mit ihm gesprochen. Als wir schriftlich nach dem Grund gefragt hatten, wurde uns gesagt, man "spreche aus Prinzip nicht mit Anwälten". Diese Antwort entspricht weder dem Recht auf Verteidigung noch dem Rechtsstaatprinzip.

Die Bundesregierung unterstützt die Klage von Deniz Yücel vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Wie beeinflusst das die Situation?

Da Deniz Yücel deutscher Staatsbürger ist, haben wir beim EGMR angefragt, ob die Bundesregierung als Nebenklägerin am Prozess teilnehmen kann. Der Gerichtshof hat positiv auf unsere Anfrage reagiert. Die Bundesregierung wird ihre Stellungnahme schriftlich übermitteln. Das ist für uns natürlich eine sehr wichtige Entwicklung.

Die Frist beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für eine Stellungnahme der Türkei zum Fall Yücel läuft am 28. November ab. Kann es noch einmal zu einer Verschiebung des Termins kommen?

Nein, das ist nicht wahrscheinlich, dass der EGMR den Termin verschiebt. Denn der EGMR hat gesagt, dass es beim 28. November bleibt und der Termin nicht verschoben wird, und hat damit eine klare Entscheidung getroffen.

Wie geht der Prozess weiter, nachdem die Türkei am 28. November ihre Stellungnahme eingereicht hat?

Die Stellungnahme der Türkei wird an uns weitergeleitet. Wir überprüfen sie und verfassen unsere Ansichten dazu. Dann wird die Bundesregierung ihre Position darlegen. Daraufhin wird der EGMR seine Entscheidung im Fall Deniz Yücel treffen und bekanntgeben.

Auch wenn der EGMR erklärt hat, dass er die Frist nicht verlängert: Ist es möglich, dass die Türkei am 28. November auf ihre Stellungnahme verzichtet?

Die Türkei kann auch auf eine Stellungnahme verzichten. Rechtlich ist sie nicht dazu gezwungen. Sollte die Türkei es im Fall Deniz Yücel vorziehen, sich nicht zu verteidigen, wird der Prozess beim EGMR ohne die Verteidigung der Türkei normal weiterlaufen.

Das Interview führte Aram Ekin Duran.