Fall Gurlitt: fast 100 Werke NS-Raubkunst
18. Juli 2016Zu den als NS-Raubkunst identifizierten Bildern gehören Werke von Henri de Toulouse-Lautrec, Max Liebermann, Edvard Munch und eine Rembrandt-Grafik, wie das Projekt "Provenienzrecherche Gurlitt" in Berlin mitteilte. Das Expertenteam hatte in einem halben Jahr mehr als 500 Werke aus der umstrittenen Sammlung von Cornelius Gurlitt untersucht - und in 91 Fällen einen Raubkunst-Verdacht erhärtet. Zuvor hatte die Taskforce "Schwabinger Kunstfund" binnen eines Jahres elf Fälle lückenlos geklärt; bei fünf Werken hatte sie dabei eindeutig NS-Unrecht nachgewiesen. Damit wären bislang insgesamt 96 Bilder der Sammlung als mutmaßliche oder tatsächliche Raubkunst eingeordnet.
Noch nicht alle Fälle geklärt
Das Projekt "Provenienzrecherche Gurlitt" kümmert sich in der Nachfolge der "Taskforce" seit dem Jahreswechsel um die Kunstsammlung des 2014 gestorbenen Gurlitt. Von den 680 Werken, deren Herkunft die "Taskforce" nicht abschließend klären konnte, haben die Experten des Projekts bislang 502 Werke untersucht. Die Recherchen seien aber noch nicht abgeschlossen, betonte Projektleiterin Andrea Baresel-Brand. "Es ist nur ein Zwischenstand."
Das Nachfolgeprojekt kam schneller voran als die "Taskforce", konnte für seine Recherchen allerdings deren Vorarbeiten nutzen. "Wir sind unserem Ziel, den Fall Gurlitt zügig und transparent aufzuarbeiten einen guten Schritt näher gekommen", sagte Uwe M. Schneede, Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste. Das Zentrum ist Träger des Projektes.
Insgesamt über 1500 Werke bei Cornelius Gurlitt gefunden
Der spektakuläre Fund der Gurlitt-Sammlung hatte weltweit Aufsehen erregt und eine hitzige Debatte um den Umgang mit von den Nationalsozialisten geraubten Kunstwerken in Deutschland entfacht. 2013 erfuhr die Öffentlichkeit vom "Fall Gurlitt". Es wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft bereits 2012 rund 1280 Kunstwerke in Gurlitts Münchner Wohnung beschlagnahmt hatte. Werke, die zum Teil im Verdacht standen, NS-Raubkunst zu sein. Zwei Jahre später tauchten weitere 238 Gemälde in Gurlitts verwahrlostem Haus in Salzburg auf, zum Teil wertvolle Meisterwerke der Moderne. Auch hier bestand bei Hunderten davon der Verdacht auf Nazi-Raubkunst. Seit den Funden wird unermüdlich die Herkunft der Werke geprüft. Cornelius Gurlitt war am 6. Mai 2014 in seiner Schwabinger Wohnung gestorben - ohne seine Bilder noch einmal gesehen zu haben.
Seine millionenschwere Sammlung vermachte er in seinem Testament dem Kunstmuseum Bern, das bis zum heutigen Tag allerdings noch kein einziges Bild bekommen hat. Grund ist ein langwieriger Rechtsstreit, den Gurlitts Cousine Uta Werner angestrengt hat und der inzwischen beim Oberlandesgericht München liegt. Werner erhebt selbst Anspruch auf das Erbe und zweifelt an, dass Gurlitt im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, als er sein Testament verfasste.
Pläne für Gurlitt-Doppelausstellung in Bern und Bonn auf Eis
Zusammen mit der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn wollte das Kunstmuseum Bern die Bilder der Gurlitt-Sammlung der Öffentlichkeit präsentieren. Doch der andauernde Rechtsstreit ließ die Museen im April die Pläne für eine gemeinsame Schau auf Eis legen.
ld/cr (dpa, Provenienzrecherche Gurlitt)