Faktencheck: Wie klimaschädlich ist Fleischkonsum wirklich?
30. Oktober 2022Der globale Fleischkonsum hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Laut Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch seit Anfang der 1960er-Jahre fast verdoppelt - von jährlich rund 23,1 Kilogramm (kg) auf 43,2 kg im Jahr 2019. Hauptgrund dafür ist der wachsende Wohlstand in vielen Ländern, weil sich damit das Ernährungsverhalten vieler Menschen ändert. Ländervergleiche zeigen: Je wohlhabender eine Gesellschaft wird, umso mehr Fleisch wird gegessen. Laut einer Vorhersage für 2022 liegt der Pro-Kopf-Konsum in Industrieländern bei 69,5 kg. Im Vergleich dazu in den Entwicklungsländern: 27,6 kg.
Wie hoch sind die Treibhausgasemissionen durch Fleischkonsum?
Laut FAO gehen 14,5 Prozent aller vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen auf das Konto der Nutztierhaltung. Dabei werden neben Kohlenstoffdioxid (CO2) vor allem die klimaschädlichen Gase Methan (CH4) und Lachgas (N2O) emittiert. Beiden Gasen wird im Zusammenhang mit dem Klimawandel eine ähnliche Bedeutung zugemessen wie CO2. Methan und Lachgas verbleiben zwar wesentlich kürzer in der Atmosphäre als CO2, wirken in dieser Zeit jedoch deutlich stärker: Methan gilt demnach als etwa 25-, Lachgas sogar als fast 300-mal klimawirksamer als Kohlendioxid. Zur Vergleichbarkeit wird der Effekt aller Treibhausgase in CO2-Äquivalente (CO2eq) umgerechnet, um die Klimawirkung von Prozessen statistisch in einer einzigen Zahl auszudrücken.
Der größte Teil der Emissionen in der Nutztierhaltung entsteht bei der Futtermittel-Produktion (58 Prozent) und durch die Fermentation beim Verdauungsvorgang der Tiere selbst (31 Prozent). Insbesondere Wiederkäuer wie Rinder, Schafe und Ziegen produzieren große Mengen Methan. Hinzu kommen Gase, die bei Verarbeitung und Transport (7 Prozent) und der Lagerung von Gülle (4 Prozent) freigesetzt werden. Nicht zuletzt wegen der schieren Masse der Tiere gehen rund 87 Prozent der Methan- und Lachgasemissionen in der Viehwirtschaft allein auf die Rinderhaltung zurück.
Diese Zahlen sind allerdings nicht gleichzusetzen mit den Emissionen des Fleischkonsums, denn sie beziehen sich auf die Viehhaltung insgesamt. Die genannten Emissionen umfassen also auch die Herstellung anderer tierischer Produkte wie Milch, Käse, Gelatine oder Wolle. Ein Großteil des Methanausstoßes von Rindern geht auf das Konto von Milchkühen.
Festgehalten werden kann: Mit einem Anteil von rund 15 Prozent trägt die Nutztierhaltung signifikant zu den globalen vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen bei. Ihr Anteil ist damit fast genauso groß wie der des weltweiten Verkehrs.
Hat Fleischverzicht Auswirkungen auf den Klimawandel?
Der Blick auf die Treibhausgasemissionen der Viehwirtschaft allein beantwortet diese Frage nicht, da sie, wie gesehen, nicht allein dem Fleischkonsum zuzuordnen sind. Aussagekräftiger wird das Bild, wenn man die Emissionsbilanzen verschiedener pflanzlicher und tierischer Nahrungsmittel ins Verhältnis setzt, so wie in einer Studie, die 2021 in der Zeitschrift "Nature Food" veröffentlicht wurde.
Sie kommt zu dem Ergebnis, dass pflanzliche Nahrungsmittel lediglich für 29 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, die bei der Produktion von Lebensmitteln freigesetzt werden. 57 Prozent entstünden dagegen durch die Aufzucht und Haltung von Kühen, Schweinen und anderen Nutztieren, einschließlich der Herstellung von Viehfutter. Demnach macht allein die Produktion von Rindfleisch etwa ein Viertel der weltweiten Gesamtemissionen durch die Lebensmittelherstellung aus. Als zweitgrößten Verursacher nennt die Studie den Reisanbau mit einem Anteil von rund 12 Prozent noch vor anderen Fleischsorten wie Schwein, Geflügel und Schaf und der Milchproduktion.
Die Studie betrachtet jedoch nur die jeweiligen globalen Gesamtemissionen verschiedener Nahrungsmittel. Bricht man die Daten auf ein Kilogramm des jeweiligen Nahrungsmittels herunter, zeigt sich ein etwas anderes Bild. Zwar bleibt auch in dieser Betrachtung die Rindfleischproduktion mit 99,48 kg CO2-Äqivalenten pro Kilogramm Fleisch der mit Abstand größte Emittent von Treibhausgasen - das ist mehr als doppelt so viel wie beim zweitgrößten Verursacher Lamm- oder Hammelfleisch (39,72 kg).
Die Emissionsbilanz von Schweine- und Geflügelfleisch ist mit 12,31 kg beziehungsweise 9,87 kg CO2eq pro Kilogramm des Produkts allerdings günstiger als die von Käse (23,88 kg) oder gezüchtetem Fisch (13,63 kg). Fleischkonsum ist also nicht gleich Fleischkonsum. Wer etwa Geflügel statt Rindfleisch isst, kann seine persönliche Klimabilanz bereits verbessern: bei einem durchschnittlichen weltweiten Rindfleischkonsum von 9 kg pro Jahr um rund 0,8 Tonnen (t) CO2eq. In Europa und Nordamerika, wo der durchschnittliche Rindfleischkonsum höher liegt, würde die vollständige Substitution pro Kopf und Jahr die Emissionen von 1,2 t in Europa und 3,3 t CO2eq in den USA vermeiden.
Ein weitergehender Vergleich zeigt aber auch: Fast jedes pflanzliche Nahrungsmittel hat eine weitaus bessere Emissionsbilanz als alle tierischen Nahrungsmittel. So entsteht bei der Herstellung von einem Kilogramm Reis 4,45 kg CO2eq, also weniger als die Hälfte als bei der Produktion eines Kilogramms Geflügel. Wer also komplett auf Fleisch verzichtet, kann seinen persönlichen CO2-Fußabdruck noch weiter verkleinern: im Weltdurchschnitt um 1,1 t, in Europa um 1,8 t und in Nordamerika sogar um 4 t CO2eq.
Vier Tonnen Treibhausgasemissionen - das ist die Menge, die eine durchschnittlich lebende Personen in Indien über zwei Jahre und vier Monate in allen Lebensbereichen verursacht. In Äthiopien emittieren 31 Menschen insgesamt so viel Treibhausgas, wie ein Nordamerikaner allein durch Fleischverzehr.
Dies noch zur Einordnung: Um bis zum Jahr 2050 Treibhausgasneutralität herzustellen, dürfte jeder Mensch auf der Erde pro Jahr nur noch maximal zwei Tonnen CO2eq verbrauchen - also nur etwas mehr, als ein Durchschnittseuropäer heute durch Fleischkonsum emittiert.
Der Verzicht insbesondere auf Rind-, Lamm- und Hammelfleisch kann sogar weitere positive Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben. Denn zur Produktion dieser Fleischsorten wird rund 116-mal mehr Land benötigt als etwa zum Reisanbau. Laut einer neuen Studie des UN-Umweltprogramms (UNEP) beansprucht die Nutztierhaltung weltweit 78 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Für die fortschreitende Ausdehnung der Acker- und Weideflächen werden natürliche Lebensräume zerstört. Der Einsatz von Dünger und Pestiziden auf diesen Flächen verstärkt die Reduktion der Biodiversität zusätzlich.
Fazit
Die weltweite Fleischproduktion hat verglichen mit anderen Lebensmitteln einen großen Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen. Und er trägt nicht nur zu Klimakrise, sondern auch zur direkten Umweltzerstörung bei. Durch den Verzicht auf Fleisch könnten vor allem Menschen, die viel davon essen, ihren persönlichen Beitrag zur Klimakrise erheblich reduzieren. Allein Rindfleisch durch andere Fleischarten zu ersetzen, würde bereits große Mengen Treibhausgase vermeiden.
Faktencheck: Klimaschutz, was kann ich denn schon machen?
Von den eigenen jährlichen Treibhausgasemissionen könnten durchschnittliche Europäer (6,61 t CO2eq pro Jahr) und Nordamerikaner (14,2 t CO2eq pro Jahr) mehr als ein Viertel vermeiden, indem sie vegetarisch leben. Vergessen werden sollte dabei allerdings nicht: In anderen Lebensbereichen emittieren wir in wesentlich kürzerer Zeit wesentlich mehr klimaschädliche Treibhausgase: Wer etwa in einem Jahr rund 10.000 Kilometer mit dem Auto zurücklegt oder nur einmal von Europa nach New York und zurück fliegt, bucht damit schon mehr als zwei Tonnen CO2eq auf sein Klimakonto. Vier Tonnen sind es, wenn man von Europa nach Asien oder Südamerika in den Urlaub jettet. Mit einer solchen Reise pusten Europäer also die Emissionseinsparung von rund zwei Jahren Fleischverzicht innerhalb weniger Stunden in die Atmosphäre.
Der Artikel wurde bearbeitet. In der früher Fassung fehlte bei der Schätzung des Fleischkonsums für 2022, dass sich die Angabe von 69,5 kg nur auf Industrieländer bezieht,