Faktencheck: Verhindern Himbeeren und Feigen Krebs?
17. September 2024Jeder Fünfte entwickelt in seinem Leben Krebs. Es gibt zwar mittlerweile viele Therapien, um die Erkrankung zu bekämpfen, doch immer noch sterben Millionen Menschen an Krebs: Allein 2022 waren es laut WHOweltweit fast 10 Millionen Menschen.
Immer wieder kursieren Behauptungen, dass man Krebs verhindern kann, wenn man bestimmte Lebensmittel isst. Das DW-Faktencheckteam hat sich eine besonders virale Behauptung näher angeschaut und recherchiert, welche Rolle Ernährung beim Verhindern von Krebs spielt.
Behauptung: Ein Twitter-Nutzer behauptet, dass man Krebs verhindern könne, wenn man diese zwei Obstsorten esse: Himbeeren und Feigen. Dazu teilt er ein Video, das über drei Millionen Mal aufgerufen wurde (hier archiviert).
DW- Faktencheck: Falsch.
Unsere Recherchen zeigen, dass die Behauptung falsch ist.
In dem auf X (ehemals Twitter) geteilten Video behauptet Patrick Quillin, US-amerikanischer Buchautor und Ernährungsberater, dass schwarze Himbeeren "echte Medizin" seien und Krebs verhindern würden. Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt einer mehrteiligen Dokuseriemit dem Titel "Die Wahrheit über Krebs - eine globale Suche". Darin werden unter anderem angebliche natürliche Heilmittel gegen Krebs vorgestellt - und Pharmakonzerne als Geldmacher kritisiert.
Quillin behauptet in dem Ausschnitt, dass vor allem schwarze Himbeeren voller sogenannter Anthocyane und Antioxidantien seien. Diese würden dafür sorgen, dass sich die Krebszellen selbst zerstören.
Töten schwarze Himbeeren Krebszellen?
"Es gibt viele verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe in Obst, Gemüse und Salaten, die gesund sind", erklärt Jutta Hübner, Professorin für integrative Onkologie an der Universität Jena im DW-Interview. Es sei aber grob falsch, zu behaupten, dass einzelne Lebensmittel Krebs definitiv verhindern könnten.
Dazu fehlen wissenschaftliche Studien am Menschen. Studien, die ausschließlich in einem Labor durchgeführt werden und in denen beispielsweise bestimmte künstliche Konzentrationen von Inhaltsstoffen genutzt werden können, und Tierversuche zeigen zwar, dass Himbeeren antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften haben, die Krebszellen abtöten können.
Diese seien aber nicht auf den menschlichen Körper übertragbar, sagt Hübner. "Wir haben ja einen anderen Stoffwechsel und andere Ausscheidungsvorgänge", erklärt sie. Da müsse man erst eine bestimmte, verträgliche Dosierung der einzelnen Wirkstoffe finden. Zudem sei es sehr schwierig, entsprechende Studien am Menschen durchzuführen.
Solche Studien müssten dann zehn bis zwanzig Jahre lang laufen, in denen Menschen ja auch nicht ausschließlich eine bestimmte Obstsorte essen würden. Und gerade das ist das Problem: Denn in einer Studie von mehreren Jahren würden Menschen auch andere Lebensmittel zu sich nehmen - dann könnte man nicht eindeutig auswerten, ob der Verzehr von Himbeeren oder auch anderen Lebensmitteln einen Einfluss auf eine mögliche Krebsbildung hat.
Feigen gegen Krebs?
In dem gleichen Videoausschnitt spricht Quillin auch von der Wunderwirkung von Feigen gegen eine Entstehung von Krebs.
Ein Überblick von insgesamt 27 Studien deutet darauf hin, dass Feigen zumindest das Potenzial haben, Krebs zu verhindern oder auch in der Therapie gegen Krebs eingesetzt zu werden. Allerdings gibt es hier die gleiche Herausforderung wie bei schwarzen Himbeeren, was Studien an Menschen angeht.
Laut einer Laborstudie von 2021 kann das Latex von Feigenbäumen beispielsweise Brustkrebs hemmen - aber auch hier fehlen Studien an Menschen.
"Es gibt keine Lebensmittel, die Krebs definitiv verhindern können", sagt auch Maxine Lenza, Gesundheitsmanagerin am englischen Krebsforschungszentrum "Cancer Research UK", der DW. Die gesamte Ernährungsweise sei viel wichtiger als einzelne Lebensmittel oder Inhaltsstoffe.
Krebsrisiko verringern ist möglich
Die Deutsche Krebshilfeempfiehlt dabei beispielsweise die Ernährungstipps der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: Eine gesunde Ernährung beinhaltet laut dieser drei Viertel pflanzliche Produkte und ein Viertel tierische Produkte.
"Weitere Schritte, die Menschen tun könnten, um ihr Krebsrisiko zu senken, sind: nicht rauchen, weniger Alkohol trinken und Sonnenschutz", sagt Lenza. Hübner fügt noch hinzu, dass Sport und körperliche Aktivität Krebs vorbeugen könnten.
Dennoch sei wichtig zu betonen: "Komplett Krebs zu verhindern ist unmöglich. Man kann nur versuchen, das Risiko zu reduzieren, aber wirklich komplett vermeiden, das geht nicht."
Wer ist Dr. Quillin?
Auch Patrick Quillin selbst haben wir uns einmal genauer angeschaut. In dem Video wird er mit Dr., also Doktor, betitelt, was darauf schließen könnte, dass er Arzt ist. Unsere Recherche zeigt aber, dass er kein Arzt ist, sondern Ernährungswissenschaften studiert und einen Doktor in Philosophie gemacht hat. Er hat also weder eine medizinische Ausbildung, noch hat er zur Entstehung von Krebs geforscht.
Quillin postet seit Jahren regelmäßig Ernährungstipps in Bezug auf Krebs auf seinen Social Media-Accounts, denen mehrere tausend Menschen folgen. Seit den 90ern hat er zudem zahlreiche Bücher zu dem Thema veröffentlicht. Auf unsere Anfrage zu seiner Behauptung, dass man Krebs durch das Essen bestimmter Lebensmittel verhindern kann, reagierte er nicht.