Können Selbsttests die Pandemie stoppen?
15. Februar 2021"Wenn sich die Bevölkerung regelmäßig selbst testen würde - zum Beispiel vor Besuchen bei Verwandten oder Freunden - dann würden Infektionsketten unterbrochen werden", sagte Karl Lauterbach in einem WDR-Interview. "Selbsttests sind grundsätzlich sehr zuverlässig. Es werden zwar nicht alle Fälle erkannt, die positiv sind, dafür aber fast alle, die ansteckend sind", fügte der SPD-Gesundheitsexperte hinzu. Doch inwiefern sind diese Behauptungen richtig? Was müssen wir über Selbsttests wissen? Die DW hat dazu recherchiert.
Wie funktionieren Selbsttests überhaupt?
Wenn wir von Selbsttests sprechen, meinen wir Schnelltests, die jede Person eigenständig durchführen kann. Antigen-Schnelltests für SARS-CoV-2 können unabhängig vom Ort oder der Ausstattung durchgeführt werden, das Ergebnis liegt nach 15 bis 30 Minuten vor. Dabei gibt es Tests, bei denen ein Mundrachen- oder Nasenabstrich durchgeführt wird oder seit neuestem auch Spuck- und Stuhlprobentests. Die Tests beruhen laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) darauf, "dass auf Teststreifen fixierte Antikörper das Antigen binden, wodurch ein Enzym aktiviert wird, das zu einem Farbumschlag führt. Dieser Farbumschlag lässt sich mit dem bloßen Auge ablesen."
Weiter schreibt das RKI auf seiner Webseite, dass die Antigen-Schnelltests vor allem zum Nachweis hoher Viruslasten geeignet sind, die "besonders übertragungsrelevant" sind.
Wie sicher und zuverlässig sind Schnelltests?
Zugelassene Antigen-Schnelltests müssen eine Sensitivität von über 80 Prozent und eine Spezifität von über 97 Prozent vorweisen. Die Sensitivität ist der Anteil der Personen mit positivem Testergebnis unter den Infizierten, die Spezifität der Personen mit negativem Testergebnis unter den Nicht-Infizierten. Das heißt, damit ein Schnelltest zugelassen wird, muss er von fünf Corona-Infizierten mindestens vier erkennen und darf bei 100 Nicht-Infizierten höchstens drei falsch-positive Ergebnisse ausgeben.
In der Praxis schneidet der Schnelltest aber schlechter ab. Wie eine Studie des RKI zeigte, wurden von 60 Patienten mit einem positiven PCR-Test nur 71,7 Prozent auch mit einem Schnelltest als SARS-CoV-2 positiv erkannt. Das heißt knapp jeder dritte Corona-Positive erhielt fälschlicherweise ein negatives Schnelltestergebnis - was schlechter ist, als für die Zulassung vorgesehen.
Immerhin können der Studie zufolge beide Testvarianten Nicht-Infizierte ähnlich gut erkennen.
Wie einfach sind Schnelltests für Laien zu handhaben?
Die Schnelltests, die aktuell auf dem deutschen Markt sind, sind nur für geschulte Personen zugelassen. Der Grund dafür ist hauptsächlich, dass die Probenentnahme durch Laien fehlerhaft sein könnte. Schwierig könnte es beispielsweise sein, selbst einen Abstrich sehr tief im Mundrachen- oder Nasenrachenbereich zu machen.
Einer aktuellen Studie zufolge, an der unter anderem die Charité beteiligt war, können Laien, die eine entsprechende Anleitung erhielten, die Tests allerdings gut durchführen. Von 146 symptomatischen Teilnehmern wurden 40 mittels PCR positiv getestet. Alle Probanden testeten sich zusätzlich mit einem Schnelltest per Nasenabstrich selbst. Von den 40 Infizierten haben sich 91,4 Prozent korrekt selbst als positiv getestet, bei 106 Nicht-Infizierten erreichten 99,1 Prozent per Selbsttest das richtige Ergebnis.
Die Studie lässt sich wegen der wenigen Teilnehmer allerdings nicht auf die Gesamtbevölkerung übertragen.
Wer kann Schnelltests erwerben?
Weil noch nicht eindeutig klar ist, wie zuverlässig Tests von Privatpersonen angewendet werden, werden Schnelltests in Deutschland aktuell nur an bestimmte geschulte Personengruppen ausgegeben. Viele falsch-negative Testergebnisse seien ein Risiko, weil diese Menschen möglicherweise etwas unbedarfter mit den Corona-Regeln umgehen würden, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der Bundespressekonferenz vom 12. Februar.
Dem Gesundheitsministerium zufolge sollen Selbsttests für zu Hause noch so entwickelt werden, dass sie einfach zu handhaben sind und eine gewisse Ergebnisqualität aufweisen.
Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) der Deutschen Welle mitteilte, gibt es aktuell etwa 30 Anträge auf Sonderzulassung für Schnelltests für alle Menschen, die bereits für geschultes Personal zertifiziert sind. Maik Pommer, Sprecher des BfArM, sagte im Interview, er gehe davon aus, dass es Anfang März die ersten befristeten Sonderzulassungen für Deutschland gibt.
Können Antigen-Selbsttests die Corona-Pandemie stoppen?
Fest steht: Bisher weisen die Schnelltests nur zu 70 Prozent SARS-CoV-2-Infektionen richtig nach und zeigen somit auch viele falsch-negative Ergebnisse an, die die Getesteten in falscher Sicherheit wiegen könnten. Zudem sind sie noch nicht für Laien zugelassen, da noch nicht sichergestellt wurde, dass sie von ihnen richtig benutzt werden können.
Mediziner vom Bundesweiten Forschungsnetz Angewandte Surveillance und Testung schreiben außerdem, dass ein negativer Schnelltest kein "Freifahrtschein" sein darf: "Alle Hygienemaßnahmen müssen weiter eingehalten werden. Dies gilt besonders in Risikobereichen, wo ein hoher Schutz gefährdeter Personen benötigt wird!"
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte, dass Selbsttests zwar nicht alle Fälle erkennen würden, die positiv seien, dafür aber alle, die ansteckend seien. Diese Aussage kann pauschal so aber nicht getroffen werden.
Denn: Laut dem Paul-Ehrlich-Institut sind richtige positive Testergebnisse mittels Schnelltest vor allem bei den infizierten Menschen zu erwarten, die noch keine oder erste Symptome haben. Der genaue Zeitraum, in dem man ansteckend ist, ist allerdings noch nicht klar definiert, schreibt das RKI auf seiner Webseite. Das heißt, man kann gegebenenfalls auch im späteren Krankheitsverlauf ansteckend sein, wenn ein Schnelltest die Infektion eventuell nicht mehr erkennt.
Noch gibt es keine Antigen-Selbsttests für zu Hause, weshalb eine Prognose schwierig ist, ob sie die Pandemie stoppen können. Ob eine durchdachte Schnelltest-Strategie, durchgeführt von geschultem Personal, die Pandemie eindämmen könnte, steht auf einem anderen Blatt.