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PolitikPolen

Faktencheck: Gefälschtes DW-Video zur Ukraine im Umlauf

29. August 2023

In einem angeblichen DW-Video wird berichtet, dass in Polen Flüchtlinge aus der Ukraine mit WLAN-Netzwerknamen beleidigt würden. Doch das Video ist ein Fake, wie unser Faktencheck zeigt.

https://p.dw.com/p/4ViUT
Zwei Ausschnitte aus dem gefälschten DW-Video zum angeblichen Mobben von Ukrainern in Polen: links ein belebtes Straßenkaffee, rechts ein Smartphone mit einer Liste von WLAN-Netzen, darunter drei mit den Namen murderersFROMUA (Mörder aus der Ukraine), UkraniansGoHome (Ukrainer, geht heim) und UKRAINEISHELL (Ukraine ist die Hölle)
Im Internet kursiert ein Video, das angeblich von der Deutschen Welle stammt. Demnach würden ukrainische Flüchtlinge über die Namen von WLAN-Netzwerken gemobbtBild: DW/twitter

Wendet sich die polnische Bevölkerung gegen die ukrainischen Flüchtlinge im Land? Diesen Eindruck soll offenbar ein Video erwecken, das in verschiedenen sozialen Netzwerken zirkuliert. Darin wird behauptet, dass in der polnischen Hauptstadt Warschau WLAN-Netzwerke existieren, die mit anti-ukrainischen Slogans benannt sind. Der Zweck der Aktion sei "ohne Zweifel, dass ukrainische Flüchtlinge eingeschüchtert werden sollen", heißt es im Video.

Behauptung: Ein pro-russischer Kanal verbreitet auf X ein angebliches Video der DWund schreibt dazu: In Polen finde ein anti-ukrainischer Flashmob statt, bei dem Flüchtlinge aus der Ukraine mit WLAN-Netzwerknamen beleidigt würden. Demnach hätten Polen ihre Netzwerke mit "Die Ukraine ist die Hölle", "Mörder aus der Ukraine", "Ukrainer, geht nach Hause" benannt. Das Video verbreitet sich auch auf Facebookund Telegram

Screenshot von zwei Vertikalvideos link sind Untertitel und DW-Logo höher als im gefälschten Video rechts.
Im Vergleich offenbaren sich Unterschiede: Links ein echtes DW-Video, rechts das Fake-Video, das nicht von der DW stammt. Schriftart und Schriftposition sind nicht identisch und verraten den Nachbau des DW-Videotemplates.

DW Faktencheck: Fake. 

Das Video ist weder von der DW produziert, noch ist der genannte Sachverhalt zu belegen. Die im Video verwendete Schriftart entspricht nicht der, die die DW in ihrem Video-Template verwendet. Zudem ist die Position der Schrift eine andere als in DW-Videos. Dies zeigt sich beim direkten Vergleich zwischen einem echten DW-Video und dem Fake-Video. 

Glaubwürdigkeit durch "Spoofing" vorgetäusch

Es ist nicht das erste Mal, dass in Kanälen, die häufig pro-russische und anti-ukrainische Inhalte verbreiten, falsche Videos gepostet werden, die angeblich von westlichen Medien stammen. Bereits im vergangenen Jahr wurden Fake-Videos und falsche Tweets von CNN, BBC und DW in Umlauf gebracht. Diese Form der Desinformation nennt sich Spoofing, bei dem eine digitale Identität vorgetäuscht wird, um sich Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu erschleichen. 

Links ist die gleiche Frau in einem Screenshot der BBC-Reportage zu sehen wie rechts in dem angeblichen DW-Video
Links ist die Frau in einem Screenshot der BBC-Reportage vom Februar 2023 zu sehen, rechts in dem angeblichen DW-Video

Das Video wirkt unter anderem so authentisch, weil es in etwa so aufgebaut ist, wie es auch Journalisten der DW und anderer seriöser Medien machen würden: Die erste Einstellung zeigt den Marktplatz in der Altstadt von Warschau und holt die Zuschauer an den Ort des Geschehens. 

Tatsächlich stammt die Frau, die in der dritten Einstellung mit einer großen bunten Tasche und einem Kind an der Hand über einen polnischen Bahnhof (erkennbar an dem Sicherheitsmann der polnischen Bahn) läuft, aus einer Reportage der BBC.

Stockmaterial offenbart Unprofessionalität

Kurz darauf folgt jedoch etwas, das in einem journalistischen Video nicht vorkommen sollte: Die Hände, die ein Smartphone bedienen, stammen aus Stock-Material, also kommerziell gedrehten Sequenzen, die im Dezember 2022 auf der Plattform Pixabay veröffentlicht wurden. Dass sie in Polen aufgenommen wurden, ist ebenso unwahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass es sich um die Hände eines ukrainischen Flüchtlings handelt.

Das Gleiche gilt vermutlich für den jungen Mann, der sich in der Mitte des Videos seinem Handy widmet. Klar ist: Auch diese Szene wurde bereits 2020 in einem Youtube-Video verwendet.

Weitere Ungereimtheiten nähren Zweifel an Information

Ein paar weitere Dinge können auch stutzig machen, ohne dass man die Bilder im Internet findet. Warum tippt jemand sein Passwort auf einer englischsprachigen Login-Seite ein, wenn die Reportage doch aus Polen berichtet? Warum tragen die meisten WLAN-Netzwerke in dem abgefilmten Handy englische Namen und nicht polnische oder ukrainische, wenn sie doch angeblich von Polen gegen Ukrainer gerichtet sind?

Wahrscheinlich würden ukrainische Internetsurfer den englischen WLAN-Netznamen "UkrainiansGoHome" mindestens so gut auf Polnisch verstehen: "UkraińcyIdźcieDoDomu"*. Denn auf Ukrainisch könnte man das so übersetzen: "UkrainciIdit'Dodomu".* 

Polnische Hilfsbereitschaft gegenüber Ukrainern weiter groß

Das ukrainische Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation bezeichnet nicht nur das Video, sondern auch den Inhalt rundheraus als falsch. Gänzlich auszuschließen ist natürlich nicht, dass es irgendwo in Warschau nicht doch WLAN-Netzwerke mit derlei Namen gibt. Verlässliche Hinweis darauf, dass es so ist, sind in dem Fake-Video jedoch auch nicht zu finden.

Die Botschaft, die das Fake-Video vermutlich überbringen soll - nämlich, dass Ukrainer in Polen unerwünscht seien - lässt sich in Umfragen jedenfalls nicht belegen. Auch wenn die Offenheit gegenüber der Aufnahme von weiteren ukrainischen Flüchtlingen in Polen mit der Zeit etwas nachgelassen hat, ist sie weiterhin hoch. In einer Umfrage im April 2023sprachen sich 73 Prozent* dafür aus, nur 19 Prozent waren dagegen. In einer früheren Umfrage wollten sogar 83 Prozent, dass Polen ukrainischen Flüchtlingen hilft und nur elf Prozent waren dagegen.



*Wir haben einen Tippfehler bei dieser Zahl korrigiert, zunächst stand dort "79 Prozent". Außerdem haben wir den polnischen und den ukrainischen WLAN-Namen korrigiert. 

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber Leiter des DW-Faktencheck-Teams@joschaweber
Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.