Faktencheck: Angebliches Taiwan-Video in Wahrheit jahrealt
3. April 2024Taiwan wurde am Morgen des 3. Aprils von dem schwersten Erdbeben seit mindestens 25 Jahren erschüttert. Viele hundert Menschen wurden verletzt, einige starben. Die sozialen Netzwerke sind voll von Videos und Bildern der Naturkatastrophe. Neben vielen authentischen Inhalten finden sich auch einige aus dem Kontext gerissene und gefälschte.
Behauptung: Ein auf X zirkulierendes Video soll zeigen, wie mehrere Hochhäuser im Zuge des Erdbebens in Taiwan fast wie Bauklötze umfallen. Bei einem Post mit 10.000 Views steht dazu etwa: "Seht euch den Zustand der Hochhäuser nach dem Erdbeben der Stärke 7,5 in Taiwan an!" In einem anderen Post mit 54.000 Views heißt es: "Ein schockierender Vorfall hat sich in Taiwan ereignet, seht euch die Wolkenkratzer an!"
DW Faktencheck: Falsch.
Das Video der umfallenden Hochäuser ist nicht aktuell und glücklicherweise auch weit weniger dramatisch, als es anmutet. Denn es zeigt in Wahrheit die kontrollierte Sprengung von Hochhäusern in Kunming, der Hauptstadt der südchinesischen Provinz Yunnan, im August 2021.
Herausgefunden haben wir das, indem wir ein Standfoto, genannt Still, aus dem Video extrahiert und in die Bilderrückwärtssuchevon Google eingegeben haben.
Auf diese Art und Weise lässt sich ausschließen, dass das Video das aktuelle Geschehen in Taiwan abbildet, da es schon zuvor im Internet zirkulierte. Das beweist etwa dieser Treffer eines Youtubevideos vom 28.03.2024 oder dieses Still aus dem Videovom 26.02.2024.
Auch einige Accounts auf Tiktok haben das Video, das nun im Kontext des Erdbebens in Taiwan aufgetaucht ist, mit Hinweisen auf eine Sprengung in Kunming geteilt, die meisten davon im Sommer bis Herbst 2023.
Aber wie alt ist das Video nun tatsächlich? Die Suche nach Berichterstattung zu einer kontrollierten Sprengung von Gebäuden in Kunming führt unter anderem zu diesem Video des Nachrichtensenders Welt vom 31.08.2021, in dem eindeutig dieselben Gebäude auftauchen:
Auch das US-amerikanische Onlinemagazin VICE berichtete über die Aktion in Kunming - demnach ereignete sich die Sprengung am 27. August. Die nur halbfertigen Hochhäuser seien zerstört worden, weil der Baufirma das Geld ausgegangen sei.
Geistersiedlungen voller nicht zuende gebauter oder leerstehender Gebäude sind ein Symptom des kriselnden chinesischen Immobiliensektors, dem ein jahrzehntelanger staatlich forcierter Bauboom vorausgegangen ist.
Übrigens ist es nicht das erste Mal, dass die eindrucksvolle Sprengung in Kunming in einen anderen Kontext gestellt wird. So wurde unter anderem schon behauptet, das betreffende Video zeige ein Erdbeben in Marokko oder einen Raketenangriff in Gaza.