Faktencheck: Putschpläne Polens in Belarus sind Fake News
26. Mai 2023Wenn es um den Angriffskrieg in der Ukraine geht, rücken auch immer wieder Schlagzeilen über das benachbarte Belarus in den Vordergrund: offizielle Meldungen darüber, dass russische taktische Atomwaffen in dem Land stationiert werden, und auch Gerüchte über den Gesundheitszustand des 68-jährigen belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko. Und zuletzt setzten russische Staatsmedien noch einen drauf: "In Polen bestätigte man die Angaben über die Vorbereitung eines Putsches in Belarus durch den Westen", berichtete die russische staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti am Mittwoch, den 24. Mai. Die Behauptung wurde schnell von weiteren russischen und belarussischen Medien übernommen, inhaltlich verändert und verbreitet. So lautete die Überschrift bei einer anderen russischen Zeitung kurz darauf: "Polnischer General plant den bewaffneten Putsch in Belarus zu organisieren und zu unterstützen".
Ein Twitter-Nutzer ging sogar noch weiter und schrieb auf Englisch: "Der Westen bereitet einen bewaffneten Putsch in Belarus mit der Unterstützung der polnischen Armee vor". Diese angeblichen Pläne würden auch Lukaschenkos Aussage aus einer Rede im März stützen, dass der Westen Belarus überfallen und vernichten wolle.
Lukaschenko und Peskow reagieren auf angebliche Putsch-Pläne
Und sogar Alexander Lukaschenko persönlich und Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow folgten dem medialen Echo und reagierten auf die angeblichen Äußerungen aus Polen. Der belarussische Machthaber sah sich in seinen früheren Aussagen über die Gefahr aus dem Westen bestätigt, bezeichnete den polnischen General als "kranken" und sagte, er sei für einen möglichen Aufstand in Belarus bereit. Peskow seinerseits bezeichnete Polen als "feindlichen Staat", warf Warschau hysterische Russophobie und beabsichtigte Einmischung vor und beteuerte, dass Russland Belarus vor "einer solchen offensichtlichen Bedrohung" beschützen würde.
Aber was hat es nun wirklich mit der Behauptung auf sich, dass der Westen einen Aufstand in Belarus vorbereite? Und welche Rolle spielt dabei ein angeblicher polnischer General? Das DW-Faktencheckteam hat die Behauptung überprüft.
Behauptung: "Der polnische General Skrzypczak bestätigte die Angaben über die Vorbereitung eines Putsches in Belarus durch den Westen", meldete RIA Novosti und berief sich dabei angeblich auf die Aussagen eines polnischen Generals namens Waldemar Skrzypczak in einem Interview des Senders Polsat News. "Polen bereitet sich auf den bewaffneten Putsch in Belarus und die Teilnahme an dessen Unterstützung auf militärischem Weg vor", habe Skrzypczak angeblich gesagt.
DW-Faktencheck: Falsch.
Tatsächlich kommentierte Skrzypczak, der übrigens bereits pensionierter General ist, am 23. Mai in der Polsat News-Sendung Gość Wydarzeń die Ereignisse im russischen Belgorod. Dabei sagte Skrzypczak, dass er in den Ereignissen in Belgorod ein erstes Signal sehe, von dem er hoffe, dass es sich auf weitere Teile des russischen Territoriums ausbreite. "Und hoffentlich auch auf einen Teil des belarussischen Territoriums", ergänzte der pensionierte General. Damit meint er also, er persönlich hoffe, dass die Partisanen weiter in Russland und auch in Belarus vordringen.
Des Weiteren äußerte Skrzypczak eine Prognose für den Fall der erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensive, von der zuletzt immer wieder die Rede war. Die Belarussen, die Teil der ukrainischen Armee seien und gegen die Russen kämpften, würden ihre Waffen nicht niederlegen, sondern nach Belarus gehen, sagte der pensionierte General. Und er fügte hinzu: "Ich hoffe, dass dies einen Aufstand in Belarus auslösen wird". Skrzypczak meint mit diesen Belarussen wohl die Hunderten von Freiwilligen des Kastus-Kalinouski-Regiments, die auf ukrainischer Seite kämpfen. Diese Belarussen flohen aus ihrer Heimat, nachdem das Lukaschenko-Regime 2020 die massenhaften Proteste im Land niederschlagen ließ.
Skrzypczak äußert eigene Meinung
Auf die Nachfrage des Moderators, wie man sich im Fall eines solchen "internen Krieges" in Belarus verhalten sollte, erwiderte Waldemar Skrzypczak: "Wir sollten uns schon jetzt darauf vorbereiten! […] Ich denke, es ist nun an der Zeit, sich darauf vorzubereiten. Es wird passieren”. Der pensionierte polnische General sprach also weder davon, dass Polen oder der Westen einen bewaffneten Putsch in Belarus vorbereiten, noch rief er dazu auf, diesen zu initiieren. Skrzypczak betonte lediglich, dass es seiner Meinung nach einen Aufstand in Belarus geben werde, auf den sich Polen vorbereiten sollte.
Im weiteren Verlauf des TV-Gesprächs erläuterte der polnische General nicht, was konkret er unter Vorbereitung meinte. Er beschreibt beispielsweise nur, dass die Partisanen, die in Belgorod kämpften, ausgerüstet und ausgebildet seien. Gleichzeitig beschrieb er die Gründe, warum man in Polen bereit sein sollte "die Truppen zu unterstützen, die Operationen gegen Lukaschenko durchführen werden". Dabei verwies Skrzypczak auf den Ausnahmezustand an der polnisch-belarussischen Grenze im Sommer und Herbst 2021. Nachdem der Westen seine Sanktionen gegen Belarus verschärfte, kündigte der belarussische Machthaber Lukaschenko im Mai 2021 an, Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU zu hindern. So versuchten Tausende von Migranten die EU-Grenze von Belarus nach Polen zu überqueren.
Und auf Nachfrage, was ein derartiger belarussischer Aufstand in Polen auslösen könnte, sprach Waldemar Skrzypczak von Belarussen, die daraufhin nach Polen fliehen würden: “Wenn es einen Aufstand in Belarus geben wird, und darauf müssen wir uns vorbereiten, dann wird es eine Abwanderung von Menschen aus Belarus in den Norden Polens geben.”
Auf eine DW-Anfrage teilte ein Sprecher des polnischen Verteidigungsministeriums mit, dass es sich bei den Äußerungen des pensionierten Generals "lediglich um die private Meinung" Skrzypczaks handle. Zusätzlich wies die Presseabteilung darauf hin, dass Skrzypczak kein Berater des Verteidigungsministeriums sei und keine Funktionen im Ministerium bekleide.
Mitarbeit: Kathrin Wesolowski