EZB-Pläne vor Gericht
14. Oktober 2014Verhandelt wird über die Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB) aus dem Sommer 2012, notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen. Das Bundesverfassungsgericht war im Februar 2014 zu dem Schluss gekommen, die EZB habe mit diesem sogenannten OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) ihre Kompetenzen überschritten: Die EZB dürfe nach den Europäischen Verträgen keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben. Außerdem war das Verfassungsgericht der Meinung, der OMT-Beschluss verstoße gegen das Verbot einer Mitfinanzierung von Staatshaushalten. Die endgültige Entscheidung überließ Karlsruhe den Luxemburger Richtern.
Was genau ist das OMT-Programm?
Anfang September 2012 beschloss der EZB-Rat gegen den Widerstand von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, Euro-Krisenländern notfalls mit dem unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen unter die Arme zu greifen. Die Bedingungen: Die jeweiligen Staaten stellen zuvor einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds und unterwerfen sich politischen Reformvorgaben. Erwerben wollte die EZB die Bonds auf dem Sekundärmarkt, also etwa von Banken, nicht direkt von den Staaten. Spanien, Italien, Portugal hätten von sinkenden Zinsen profitiert.
Welches Ziel verfolgte die EZB mit dieser Maßnahme?
Im Sommer 2012 stand die Eurozone vor der Zerreißprobe. EZB-Präsident Mario Draghi sah sich zu einem historischen Versprechen genötigt: "Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten." Wenig später stand das OMT-Programm.
Dass allein dessen Ankündigung die Märkte beruhigte, geben sogar Kritiker zu. Draghis Versprechen und das OMT-Programm gelten als Wendepunkt in der Staatsschuldenkrise: Der Notenbankchef grub Spekulanten das Wasser ab, die auf den Zerfall des Währungsraums setzten. Die Sorgen vor einem Staatsbankrott Spaniens oder Italiens verflogen. Das Vertrauen der Investoren in den Euroraum verbesserte sich - obwohl die EZB im Rahmen des OMT keine einzige Anleihe kaufte.
Warum sind Staatsanleihekäufe durch die EZB so umstritten?
Kritiker meinen, die EZB finanziere so letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse. Das mache die Notenbank abhängig von den jeweiligen Staaten und gefährde ihre Unabhängigkeit gegenüber den Regierungen. Zudem lähme es die Reformbereitschaft, wenn sich Staaten darauf verlassen, dass es notfalls die EZB richten wird.
Wie hoch ist das Risiko von Verlusten?
Bei sämtlichen Sondermaßnahmen der EZB im Kampf gegen die Dauerkrise hält sich die Sorge, dass mögliche Verluste letztlich die Steuerzahler tragen müssen. Denn: Verluste könnte die EZB auf die nationalen Zentralbanken abwälzen und Deutschland ist über die Bundesbank mit rund 26 Prozent größter EZB-Anteilseigner. Das erste Kaufprogramm für Staatsanleihen, das sogenannte Securities Markets Programme (SMP), jedoch, das die Notenbank im Mai 2010 aufgelegt hatte, brachte der EZB 2012 und 2013 insgesamt gut zwei Milliarden Euro Zinseinnahmen.
Wann fällt in Luxemburg eine Entscheidung?
Bei der mündlichen Verhandlung in Luxemburg werden erst einmal alle Seiten - von den Klägern über die EZB bis zu politischen Akteuren wie Bundesregierung, EU-Parlament und EU-Kommission - angehört. Das Urteil wird voraussichtlich in etwa einem Jahr fallen.
Was droht der EZB?
Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Richter das Programm durchwinken werden. "Wir erwarten, dass der EuGH die Zulässigkeit der OMT-Käufe im Sommer 2015 erklären wird", schreibt UniCredit-Volkswirt Andreas Rees. Dies entspreche dem Trend: "In der Vergangenheit hatte der EuGH die Tendenz, den Einfluss der EU-Entscheidungsträger auszudehnen."
Kommen die Richter zu dem Schluss, dass das Kaufprogramm gegen europäisches Recht verstößt, wären der EZB in Zukunft die Hände gebunden. Allerdings könnte der EuGH auch nur bestimmte Vorgaben für Anleihekäufe machen, etwa zum Umfang oder zur Dauer. Solange der Prozess in Luxemburg läuft, hat die Notenbank weiter alle Möglichkeiten. Nach Angaben des Gerichts hat das Verfahren keine aufschiebende Wirkung, es liege kein Antrag auf Aussetzung der Maßnahmen vor.