EZB: Kein Einstieg in den Ausstieg
6. April 2017Trotz der gestiegenen Inflation denkt EZB-Präsident Mario Draghi noch nicht an eine Abkehr von der großen Geldflut. Die Europäische Zentralbank brauche noch mehr Hinweise, um ihre Bewertung der Aussichten für den Preisauftrieb wesentlich zu ändern, sagte Draghi am Donnerstag auf einer Konferenz in Frankfurt. Diese Aussichten blieben nach wie vor abhängig von einem "sehr erheblichen Ausmaß" geldpolitischer Unterstützung. "Daher ist eine Neubewertung der gegenwärtigen geldpolitischen Haltung derzeit nicht gerechtfertigt", sagte der Italiener.
Bevor die Notenbank Änderungen an den Zinsen, den Anleihenkäufen oder am geldpolitischen Ausblick vornehme, müsse sie erst hinreichend Zuversicht gewinnen, dass sich die Inflation mittelfristig dem EZB-Ziel von knapp zwei Prozent nähere. "Und auch da bleiben wird, selbst bei weniger unterstützenden geldpolitischen Bedingungen", ergänzte Draghi.
"Risiken überwiegen"
Obwohl die Konjunkturerholung voranschreite und womöglich an Schwung gewinne, würden immer noch die Risiken überwiegen. Die EZB strebt knapp zwei Prozent Inflation als Idealwert für die Wirtschaft an. Im März war die Teuerung im Euro-Raum aber wieder auf 1,5 Prozent von 2,0 Prozent im Februar gesunken, nachdem sie in den Monaten davor sogar noch deutlich tiefer lag.
EZB-Chefvolkswirt Peter Praet verteidigte auf der Konferenz zudem die im geldpolitischen Ausblick enthaltene Abfolge von Schritten bei einer Kurswende. Dieser sieht vor Zinsanhebungen erst ein Ende der massiven Anleihenkäufe vor. Die EZB hält ihre Leitzinsen schon seit längerem auf dem Rekordtief von null Prozent. Zudem pumpt sie über den Kauf von Anleihen und anderen Wertpapieren Woche für Woche Milliarden in das Finanzsystem des Währungsraums.
Mit den auf 2,28 Billionen Euro angelegten Käufen, die noch bis mindestens Ende dieses Jahres laufen sollen, will sie Geldhäuser unter anderem dazu anregen, mehr Kredite an die Wirtschaft auszureichen. Das soll die Konjunktur ankurbeln und so auch die Inflation stützen.
Kritik aus Deutschland
In Deutschland ist diese Politik stark umstritten. Der Verband der privaten Geschäftsbanken BdB hofft auf ein rasches Ende des hochexpansiven EZB-Kurses. Der Präsident des Verbandes, Hans-Walter Peters, wies erneut darauf hin, dass die niedrigen Zinsen der EZB den Geldhäusern zu schaffen machten. "Hier muss die EZB dringend den Einstieg in den Ausstieg aus der Nullzinspolitik finden, bevor Risiken und Nebenwirkungen – auch für die Finanzstabilität - überhand nehmen."
Die lockere Geldpolitik und die Regulierung trügen zu der anhaltend schwachen Ertragslage der deutschen Banken bei. Peters mahnte an, dass die Institute hier gegensteuern müssten: "Zunächst sind vor allem die Banken selbst gefordert, mit neuen - auch digitalen - Geschäftsmodellen, neuen Ertragsfeldern, aber auch weiteren Kostensenkungen."
"Ende der Kostenloskultur"
Verbraucher sollten sich keine Hoffnungen machen, dass bei einem Ende der Niedrigstzinsen auch die Bankgebühren wieder sinken könnten, heißt es beim Bankenverband. "Die Zeiten einer Kostenloskultur sind wahrscheinlich schon vorbei", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, Michael Kemmer. Es sei aber auch im Sinne der Kunden, dass sich die Preise an den Kosten der Dienstleistungen ausrichteten. "Ich glaube, dass dieser Trend anhalten wird."
Dass Bankdienstleistungen kosten, sei ein dauerhafter Zustand und nicht nur eine Delle, die durch die Niedrigzinsen ausgelöst worden sei. Es sei in einer Marktwirtschaft völlig normal, dass Kosten verursachergerecht weitergegeben werden. In Zeiten üppig sprudelnder Zinsüberschüsse sei eine Quersubventionierung auch für Zahlungsdienstleistungen möglich gewesen. "Diese Zeiten sind bedauerlicherweise vorbei", sagte Kemmer. Jedes Institut müsse schauen, wie es anfallende Kosten decken könne. Deshalb gebe es verschiedene Gebührenmodelle, die auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten seien.
wen/ul (rtrd, dpa)