Exportweltmeister mit Problemen
27. Oktober 2004Von Krise keine Spur: Deutschland verteidigt im laufenden Jahr den ersten Rang bei den Ausfuhren, bleibt also vor den USA und Japan Exportweltmeister. Das ist ein beachtlicher Erfolg. Damit generieren die Deutschen mehr als zehn Prozent der weltweiten Exporte. Und nicht nur das: Unterm Strich bleibt ein Überschuss in der Handelsbilanz von 158 Milliarden Euro, mehr als je zuvor. Das ist ein überzeugender Ausweis der hohen Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, zumal die deutschen Produkte - ob Autos, Maschinen, Elektro- oder Chemieerzeugnisse - zumeist teurer sind als die Angebote der Konkurrenz. Qualität kostet, doch Qualität setzt sich durch, ob bei Investitionsgütern oder Konsumgütern, zumal deutsche Produkte oft für einen ausgezeichneten Service stehen.
Überproportionaler Anstieg
Gerade in den vergangenen Jahren der Stagnation haben sich viele deutsche Firmen verstärkt im Ausland engagiert. Sie haben Verkaufsniederlassungen und Serviceeinrichtungen aufgebaut, oftmals auch gleich eine Fertigung vor Ort. Letzteres hat den Export aus dem Heimatland nicht überflüssig gemacht, sondern vielfach sogar stimuliert. Kein Wunder, dass die Ausfuhren im laufenden Jahr um 9,5 Prozent zunehmen und der Bundesverband des Groß- und Außenhandels (BGA) für das kommende Jahr einen weiteren Anstieg um mehr als sieben Prozent erwartet. Das heißt: Deutschlands Anteil am Welthandel steigt überproportional an.
Bedeutung Europas
Doch so schön diese Erfolgsstory ist, die ganze Wahrheit ist das nicht. Denn viele Exportprodukte mit dem Stempel "Made in Germany" enthalten in hohem Maße importierte Teile, die entweder zugekauft werden oder aus der eigenen Auslandsfertigung der Exporteure stammen. Vor allem lohnintensive Teile werden importiert. Deutschland ist der Standort für Entwicklung, Design, Finanzierung, Marketing, Logistik und Service; gerade in diesen Bereichen findet ein wachsender Teil der Wertschöpfung statt.
Zwei Faktoren stechen besonders hervor: Einmal zeigt sich die überragende Bedeutung des großen europäischen Wirtschaftsraumes, der Europäischen Union und der Euro-Zone; rund die Hälfte der Exporte geht in die ebenfalls industriell hoch entwickelten Nachbarländer. Zum anderen fällt der Erfolg in den Ländern auf, die mit gewaltigen Anstrengungen zu den traditionellen Industriestaaten Anschluss finden wollen. Dies gilt insbesondere für die mittel- und osteuropäischen Staaten, die zum Teil schon in die EU aufgenommen worden sind, sowie für die asiatischen Schwellenländer.
Schlechte Stimmung
Leider aber läuft der deutsche Konjunkturmotor nur stotternd. Der Export floriert. Doch: Die Investitionen kommen nicht richtig in Gang, der private Konsum stockt. Der Grund: Die Stimmung ist schlechter als die Lage. Es mangelt an Optimismus und Zuversicht sowie an Vertrauen in die eigene Stärke.
Dabei gibt es für die miese Stimmung, Selbstzweifel und Verzagtheit zwar Gründe, etwa die hohe Arbeitslosigkeit, die absehbare Krise des Alterssicherungssystems sowie die Belastung der Unternehmen und der Arbeitnehmer mit Steuern und Sozialbeiträgen, aber dies müsste eigentlich ein Ansporn für einen neuen Aufbruch sein. Vor allem der allgemeine Pessimismus ist einer der Gründe dafür, dass die Konjunktur im Inland nicht auf Touren kommt. Die stärkste Volkswirtschaft in Europa müsste gleichzeitig die europäische Konjunkturlokomotive sein. Stattdessen dümpelt trotz florierendem Export die deutsche Wirtschaft insgesamt vor sich hin.