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Experten warnen vor Hungersnot in Sierra Leone

18. September 2014

Tausende Menschen haben sich in Sierra Leone mit dem Ebola-Virus infiziert, jetzt droht zudem eine Hungersnot. Im Kampf gegen die Seuche fordert das Europaparlament nun eine Luftbrücke.

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Symbolbild Sierra Leone Hunger
Bild: picture-alliance/dpa

"Die internationale Gemeinschaft hat die Krise unterschätzt", erklärte Europaparlament. Über Luftbrücken solle mehr medizinisches Personal und die nötige Ausrüstung nach Westafrika gebracht werden. Die Flüge sollten auch dazu dienen, im Bedarfsfall Menschen aus medizinischen Gründen zu evakuieren, fordern die Abgeordneten. Die europäischen Länder müssten dafür sorgen, dass die zugesagten Hilfsgelder für den Kampf gegen Ebola nicht an anderer Stelle aus Entwicklungshilfe-Budgets abgezogen würden. EU-Kommission und -Regierungen müssten ihre Hilfsbeiträge zudem noch besser koordinieren sowie die gemeinsame Forschung an Arzneimitteln und Impfstoffen ausbauen.

In Sierra Leone droht Hungersnot

Neben der Seuche droht in Sierra Leone eine weitere Katastrophe: "Ab März rechnen wir hier mit gravierendem Hunger", warnte Jochen Moninger, Landeskoordinator der Welthungerhilfe. Grund für die prekäre humanitäre Lage sei unter anderem ein rasanter Anstieg der Lebensmittelpreise im ländlichen Raum, auch weil Transporte nur noch tagsüber zu bestimmten Zeiten erlaubt seien. "Um die Epidemie einzudämmen, wurden ganze Dörfer isoliert, in einigen Epizentren gehen die Nahrungsmittelvorräte zur Neige."

Die Welthungerhilfe schätzt, dass in diesem Jahr nur rund 40 Prozent der Felder bewirtschaftet werden. Die ganze Wirtschaft und weite Teile des öffentlichen Lebens in dem ohnehin armen Land seien wegen des Virus zusammengebrochen, ausländische Firmen hätten das Land verlassen, lokale Märkte existierten nur noch eingeschränkt. Außerdem seien viele Menschen aus ihren Heimatorten weggegangen. "Wir müssen uns jetzt auf Nahrungsmittellieferungen in großem Umfang vorbereiten, das Gesundheitssystem verbessern, ein Frühwarnsystem einrichten", erklärte Moninger.

Ausgangssperre und Aufklärung

Unterdessen hat Sierra Leone eine Ausgangssperre für alle Bürger von Freitag bis Sonntag verhängt. In dieser Zeit sollen Gesundheitsarbeiter von Haus zu Haus gehen, die Bevölkerung über das Virus aufklären und mögliche Ebola-Kranke ausfindig machen. Wie die lokale Zeitung "Concord Times" berichtete, sollen rund 21.000 Helfer die Menschen im Umgang mit dem Virus schulen und insgesamt 1,5 Millionen Stück Seife verteilen. Man werde aber mehr Zeit brauchen, die Seuche zu besiegen, erklärte der Chef der Notfallbehörde Sierra Leones (EOC), Steven Gaojia. "Die Situation wird sich wahrscheinlich noch verschlechtern, bevor sie besser wird. Die dreitägige Ausgangssperre ist deshalb als rein psychologische und erzieherische Maßnahme gedacht."

Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" hatte den Schritt bereits vor Tagen kritisiert. Um bei einem solchen Tür-zu-Tür-Screening tatsächlich Menschen mit Ebola-Symptomen erkennen zu können, bedürfe es Helfer mit viel Erfahrung. "Entscheidend ist aber: Selbst wenn potenzielle Patienten ausgemacht sind, wird es nicht genug Ebola-Zentren geben, die sich um sie kümmern könnten", hieß es in einer Erkärung. Ohne Platz zur Untersuchung und Behandlung von Verdachtsfällen mache das ganze Vorhaben keinen Sinn.

Kritik an Bundesregierung

Kritik übt die Hilfsorganisation auch an der Bundesregierung. "Ärzte ohne Grenzen"- Geschäftsführer Florian Westphal bezeichnete die bisherige Hilfe aus Deutschland im "Deutschlandradio Kultur" als unzureichend: "Ich bin mir nicht sicher, dass man sich hier in Berlin des Ausmaßes dieser Krise wirklich bewusst geworden ist." Auch der angekündigte Transport einer Krankenstation in das Krisengebiet sei ohne zugehöriges Personal wirkungslos.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Mittwoch zusätzliche Ebola-Hilfe in Form von Lufttransporten versprochen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier will die deutsche Ebola-Hilfe um fünf Millionen Euro aufstocken. Am Freitag ist ein Koordinierungstreffen der Bundesregierung geplant, auf dem das weitere Vorgehen abgesprochen werden soll. Am Donnerstag befasst sich der UN-Sicherheitsrat mit der Seuche. Es wird die Annahme einer Resolution erwartet, in der die Staatengemeinschaft zu konkreten Hilfsmaßnahmen aufgefordert wird.

Von der hochgefährlichen Virus-Epidemie sind vor allem die westafrikanischen Länder Liberia, Sierra Leone und Guinea betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass sich bislang fast 5.000 Menschen mit dem Virus angesteckt haben, jeder Zweite ist daran bislang gestorben.

ab/rb (dpa, kna)