Eurotunnel blockiert
23. Juni 2015Wegen einer Protestaktion mit brennenden Reifen ist der Bahnverkehr im Eurotunnel zwischen Frankreich und Großbritannien am Dienstag zum Erliegen gekommen. Aus Sicherheitsgründen sei der Verkehr zeitweise in beide Richtungen unterbrochen worden, teilte die Betreibergesellschaft mit. Seeleute der Fährgesellschaft MyFerryLink waren bei einer Streikaktion in der Nähe von Fréthun in Nordfrankreich auf die Gleise gelangt und hatten dort Reifen angezündet, wie eine Eurotunnel-Sprecherin sagte.
Die 600 Mitarbeiter von MyFerryLink fürchten um ihre Jobs und protestieren gegen den angekündigten Verkauf von zwei ihrer drei Fährschiffe durch Eurotunnel an den dänischen Konkurrenten DFDS. Zuvor war erwartet worden, dass Eurotunnel die Schiffe zwar verkaufen will, dass aber ein anderer Partner das Geschäft weiterführt. Aus Protest gegen die Pläne hatten Mitarbeiter von MyFerryLink schon den Eingang zum Tunnel unter dem Ärmelkanal sowie eine Autobahn blockiert.
Eurotunnel hatte im Jahr 2012 die Schiffe der früheren Fährgesellschaft SeaFrance gekauft, um sie an einstige Seeleute dieses Unternehmens zu verleihen, die sich in der Gesellschaft Scop SeaFrance zusammengeschlossen hatten. Diese Gesellschaft chartert die Schiffe der Gruppe Eurotunnel über MyFerryLink.
Wegen dieses Modells ergab sich jedoch ein langes juristisches Tauziehen, weil Fährkonkurrenten wie DFDS darin ein Wettbewerbsproblem sahen. Mitte Mai gab ein britisches Gericht zwar MyFerryLink Recht und hob ein Verbot zum Fährverkehr zwischen Dover und Calais auf. Doch Eurotunnel entschied danach dennoch, seinen bis zum 2. Juli laufenden Vertrag mit Scop SeaFrance nicht zu verlängern.
Tränengas eingesetzt
Bereitschaftspolizisten vertrieben die Demonstranten unter anderem mit Tränengas, wie die französische Nachrichtenagentur AFP meldete. Der Eurotunnelsprecher sagte am frühen Abend, die Strecke müsse nun noch auf eventuelle Schäden untersucht werden, bevor sie wieder für den Verkehr freigegeben werden könne.
Britischen Medien zufolge versuchen zahlreiche in Calais gestrandete Flüchtlinge, das aus dem Streik resultierende Verkehrschaos auszunutzen und auf wartende Lastwagen mit Ziel Großbritannien zu klettern. Das Londoner Außenministerium rät Reisenden, Türen ihrer stehenden oder langsam fahrenden Autos abzuschließen.
In Calais sammeln sich seit Jahren Flüchtlinge, die versuchen, nach Großbritannien zu gelangen. Zurzeit leben schätzungsweise 2500 bis 3000 Menschen unter schwierigen Bedingungen in einem Brachland, dem „neuen Dschungel von Calais“. Hilfsorganisationen sprechen von einer humanitären Katastrophe. An den Zufahrtsstraßen zum Hafen und zum Eurotunnel-Terminal ist daher häufig ein Katz-und-Maus-Spiel zu beobachten: Sobald sich Lastwagen zurückstauen, klettern Flüchtlinge auf die Wagen - und Bereitschaftspolizisten holen sie wieder herunter.
wen/rb (afpd, dpa)