Europäer und Afrikaner beraten über Migration
28. August 2017Wie lassen sich Migrationsbewegungen aus Afrika nach Europa einschränken? Diese Frage steht im Zentrum eines sogenannten Mini-Gipfels in Paris. Auf Einladung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sprechen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Regierungschefs aus Rom und Madrid, Paolo Gentiloni und Mariano Rajoy, sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini im Élysée-Palast mit Spitzenpolitikern aus Libyen, dem Tschad und Niger. Für die international anerkannte Übergangsregierung in Libyen nimmt Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch teil, für den Tschad Präsident Idriss Déby und für den Niger Staatschef Mahamadou Issoufou. Die drei afrikanischen Staaten liegen entlang der Migrationsroute nach Europa.
"Diese Arbeiten werden die Gelegenheit sein, die Unterstützung Europas für den Tschad, Niger und Libyen bei der Kontrolle und gesteuerten Verwaltung der Migrationsströme zu unterstreichen", teilte Macrons Büro vorab mit. Merkel sagte in einem Podcast-Interview, Ziel sei es, "Schritt für Schritt die illegale Migration zu reduzieren".
Flüchtlingszahlen brechen ein
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration sind in diesem Jahr bislang mehr als 120.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa gekommen, die meisten davon nach Italien. Schätzungsweise 2400 Migranten kamen auf See ums Leben. In den Sommermonaten Juli und August ging allerdings die Zahl der Flüchtlinge, die in Italien via Mittelmeer eintrafen, deutlich zurück. Im Vergleich zum Vorjahr erreichten allein in diesem Monat knapp 90 Prozent weniger Flüchtlinge die italienische Küste, wie aus Zahlen des Innenministeriums in Rom hervorgeht. Bis zum 25. August kamen 2932 Migranten in Italien an, im Jahr zuvor waren es 21.294 Flüchtlinge.
Die libysche Küstenwache führt den Rückgang vor allem auf intensivere Kontrollen im Mittelmeer zurück. Zudem hätten sich mehrere private Rettungsboote zurückgezogen, wodurch sich weniger Schmuggelboote auf den Weg machen würden, sagte ein Sprecher der Küstenwache. Experten gehen jedoch davon aus, dass der Rückgang auch mit dem Aufkommen einer neuen bewaffneten Miliz in Libyen zu tun haben könnte, die die Schmuggler am Ablegen hindert. Libyen ist derzeit der wichtigste Abfahrtsort für Flüchtlinge, die versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. In dem Land herrscht nach jahrelangem Bürgerkrieg Chaos. Zahlreiche Milizen kämpfen um die Macht.
Grüne kritisieren Merkels Kurs
An der Zusammenarbeit gibt es wegen der instabilen politischen Lage in dem Bürgerkriegsland aber auch Kritik. "Es ist zynisch, wenn Frau Merkel eine Unterbringung von Flüchtlingen in Libyen nach humanitären Standards vorschlägt, wohlwissend, dass diese Standards auf absehbare Zeit nicht zu erreichen sind", erklärte die Grünen-Vorsitzende Simone Peter. Merkel hatte es in einem Podcast-Interview als eine Stufe der europäischen Politik genannt, dafür zu sorgen, dass mehr Geflüchtete in Libyen Schutz von UN-Organisationen erhalten.
Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber forderte vor dem Pariser Gipfel einen Plan der EU für Afrika. "Die Migrationspolitik bleibt die offene Wunde der EU", betonte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei. "Bisher zeigen die EU-Staaten zu wenig Entschlossenheit", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Weber warb erneut für seine Idee einer Zollunion mit afrikanischen Staaten und entschiedenere Schritte gegen illegale Migration. "Es ist eine viel schnellere Überprüfung notwendig, wer überhaupt eine Chance auf Asyl oder Flüchtlingsschutz in Europa hat", forderte der CSU-Politiker. "Illegale Migranten müssen am besten innerhalb weniger Tage an der EU-Außengrenze abgewiesen werden. Es muss klar sein, dass sich für sie der Weg nach Europa nicht lohnt."
Engere Kooperation mit Kairo
Erst am Sonntag unterzeichneten Ägypten und Deutschland ein Abkommen über einen "bilateralen Dialog zur Migration". Es zielt darauf ab, mittelfristig Abschiebungen in den Mittelmeer-Anrainerstaat zu erleichtern. Außenminister Sigmar Gabriel sagte in Berlin bei einer Begegnung mit seinem ägyptischen Kollegen Sameh Schukri, erstens wolle man etwas gegen die Ursachen der Migration nach Europa unternehmen, etwa durch Investitionen in die berufliche Bildung junger Menschen. Zweitens gehe es um die Frage, "wie bringen wir es auch zustande, dass diejenigen, die in Deutschland sind und hier nicht bleiben können, schnell und geordnet zurück nach Ägypten kommen können".
Schukri sagte, die neue Zusammenarbeit in Fragen der Migration sei ein "wichtiger Meilenstein in unseren Beziehungen". Zugleich forderte er von Deutschland "mehr Solidarität und praktische Unterstützung" bei der Bewältigung der Herausforderungen, denen sich das Land ausgesetzt sehe. Vor allem hohe Inflation und Jugendarbeitslosigkeit machen der ägyptischen Bevölkerung zu schaffen. In Deutschland ist die Zusammenarbeit mit der ägyptischen Führung unter Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi wegen der schlechten Menschenrechtslage umstritten. Der Spielraum für Andersdenkende ist in dem arabischen Land stark eingeschränkt.
kle/sti (dpa, afpe)