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Europas Drehscheibe für die Seidenstraße

19. Oktober 2017

Chinas Staatspräsident Xi Jinping startete 2015 das geostrategische Projekt einer "neuen Seidenstraße". Diese endet im weltweiten größten Binnenhafen Duisburg. Auch in Deutschland nimmt das Projekt an Fahrt auf.

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Deutschland Duisburger Hafen
Der Duisburger Hafen Bild: Imago/H. Blossey

Das also ist der zentrale europäische Anlaufpunkt für Chinas neue Seidenstraße. Hinter dem Zaun stapeln sich bunte ISO-Container. Auf ihnen prangen die Schriftzüge von weltweit operierenden Logistik- und Transportunternehmen wie Hapag-Lloyd, Maersk und COSCO (China Ocean Shipping Company). Linker Hand zwischen Hafen- und Vinckekanal liegt der Hauptsitz der Duisport AG, die zu zwei Dritteln dem Land Nordrhein-Westfalen und zu einem Drittel der Stadt Duisburg gehört.

Die Deutsche Welle ist mit Erich Staake, dem Vorsitzenden des Vorstands verabredet, um über das immer wichtiger werdende Geschäft mit China zu sprechen. Sein Büro liegt im dritten Stock, der Blick geht nach Norden über den Kanal und Richtung Stahlinsel. Im Duisburger Hafen empfing Staake 2014 Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping. Seither kommt regelmäßig Besuch aus China. Wie wichtig das Projekt für Xi ist, belegt auch die Arbeitsgruppe "Seidenstraße", die direkt dem Politbüro unterstellt ist.

Chinas Präsident Xi in NRW Sigmar Gabriel Hannelore Kraft
März 2014: Xi Jinping zu Besuch im Duisburger Hafen Bild: picture-alliance/dpa

Eine exotisch Idee wird Wirklichkeit

Die Idee, Waren per Zug von China nach Europa zu transportieren, ist älter als das chinesische Seidenstraßen-Projekt, wie Staake erzählt. Es sei ihm erstmalig vor etwa zehn Jahren auf einer Konferenz zum intermodalen Transport in Sao Paulo begegnet. Unter dem Label "Trans-Eurasian-Landbridge" hätten dort zwei junge Unternehmer den Transport per Zug als Alternative zur langsamen, aber preiswerten Seefracht und zur schnellen, aber teuren Luftfracht präsentiert. Staake war skeptisch, da er die Landvariante nur für bedingt konkurrenzfähig hielt, beteiligte sich aber trotzdem an dem, "exotischen, aber nicht völlig unrealistischen Projekt." Allerdings unter einer Maßgabe: "Duisburg ist in Europa Start- und Zielpunkt."

Zehn Jahre später hat sich die exotische Idee zu einem der großen Infrastruktur- und Logistikprojekte des 21. Jahrhunderts entwickelt. Das ist vor allem Xi Jinpings Verdienst, der seit 2012 Präsident der Volksrepublik ist und die "neue Seidenstraße" 2013 zum Prestigeprojekt seiner Regierungszeit gemacht hat. "Es war sehr wichtig, dass Präsident Xi Jinping dem ganzen einen Namen gegeben hat, so dass da ein Produkt daraus wurde, eine Marke", sagt Staake.

Zwar gehen wichtige Impulse und kapitalintensive Investitionen von China beziehungsweise den Anrainerstaaten der neuen Seidenstraße aus, wie zum Beispiel Kasachstan, Russland, Weißrussland oder Polen, doch lebendig wird so ein Projekt nur durch Unternehmen, die sich daran beteiligen. Um einen Container von China nach Europa zu bringen, braucht es das Zusammenspiel von Produzenten, Logistikern, sogenannten Traktionären (Eisenbahnverkehrsunternehmen), Abnehmern und vielen mehr. Staake verdeutlicht das notwendige Zusammenspiel an einem Beispiel: In der zentralchinesischen Metropole Chongqing produzieren Unternehmen aus der Elektro-, Computer- und Hightech-Industrie, beispielsweise der US-Hersteller Hewlett Packard (HP). HP und andere Unternehmen haben 2011 entschieden, einen Versuch über den Landweg zu starten. Sie produzierten, bis sie einen ganzen Zug voll hatten. Der fuhr dann als Pilotzug nach Duisburg, da Duisburg die zentrale Drehscheibe für HP in Europa ist.

Infografik Chinas neue Seidenstraße Deutsch

Noch lohnt es sich nicht

Heute kommen wöchentlich bereits 25 Züge aus China. Das hört sich nach viel an, ist aber im Vergleich zum gesamten Transportvolumen zwischen Asien und Europa wenig. Das hängt damit zusammen, dass ein Zug im Vergleich zu einem Schiff nur sehr wenige Container transportieren kann, nämlich maximal 60 Container pro Fahrt. Ein Containerschiff kann demgegenüber 10.000 Container laden. Der Zug müsste also fast 170 Mal fahren, um das gleiche Volumen zu bewältigen.

Hinzu kommt, dass die Züge noch nicht wirtschaftlich sind und das Projekt von China deswegen subventioniert wird. "Es ist kein Geheimnis, dass die chinesische Regierung die Seidenstraßen-Initiative finanziell fördert", sagt Staake. Dass die Züge nicht wirtschaftlich sind, liegt vor allem daran, dass viel mehr Güter nach Europa geschickt werden als nach China. Die Züge erwirtschaften sozusagen nur in eine Richtung Gewinn, was nicht ausreicht, um das Ganze dauerhaft lukrativ zu machen. Doch die Situation verbessert sich. Das Verhältnis lag mal bei vier zu eins (auf vier volle Container aus China kam ein voller aus Europa). Aktuell steht es bei zwei zu eins.

Maßgeschneiderte Lösungen

Dennoch ist Staake davon überzeugt, dass sich das Volumen in den nächsten fünf Jahren mindestens verzehnfachen wird. "Der Landweg ist ein wichtiges komplementäres Angebot zur Luftfracht und zur Seefracht. Er ermöglicht, den Warenaustausch auf eine noch effizientere Art und Weise zu konfektionieren." Der Zug schließt eine Lücke, wenn es um die Gewichtung von Zeit und Kosten geht. So ist er schneller als das billigere Schiff, aber günstiger als die schnellere Luftfracht.

Deutschland Erich Staake Duisburger Hafen AG
Erich Staake, Vorstandsvositzender Duisburger Hafen AGBild: picture alliance/dpa/F. Gambarini

Dabei sind in den letzten Jahren bezüglich Geschwindigkeit erhebliche Fortschritte gemacht worden. Bei den ersten Fahrten benötigte der Zug 19 Tage, um Waren vom Produzenten zum Käufer zu bringen (zum Vergleich: ein Flugzeug benötigt inklusive aller Vor- und Nachläufe sechs Tage, ein Schiff 40 bis 50 Tage). Heute sind es zwölf, manchmal elf Tage. "Möglich wären nach meiner Einschätzung realistisch acht statt derzeit zwölf Tage zwischen Zentralchina und Duisburg. Die größten Hindernisse haben wir leider auf europäischer Seite." 85 Prozent der Strecke nämlich von Chongching bis zur weißrussischen-polnischen Grenze würden in sechs Tagen bewältigt. Die gleiche Zeit braucht es dann noch mal, um von dort bis nach Duisburg zu fahren. "Also da liegt das größte Potenzial im Sinne der Verbesserung." Hier müssten bürokratische Hindernisse aus dem Weg geräumt werden und auch manche arbeitsrechtliche Regelungen, die einem reibungslosen Ablauf entgegenstünden.

Insgesamt blickt Staake mit großem Optimismus in die Zukunft. "Es ist jetzt spürbar, dass die deutsche Wirtschaft sich zunehmend mit dem Thema beschäftigt. Also es gewinnt an Breite. In der Vergangenheit war das eher eine Frage von interessierten Unternehmen." Und er betont: "Die Seidenstraße hat eine große Bedeutung, insbesondere für die Industrieregion Rhein-Ruhr, die ja nach wie vor die stärkste in Europa ist."

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia