1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Was will Griechenland?

Bernd Riegert10. Februar 2015

Krisensitzung in Brüssel: Griechenland soll der Euro-Gruppe erklären, wie der Staat finanziert werden soll. Ohne neue Kredite und ohne Aufsicht durch die Troika. Die Zeit wird knapp. Bernd Riegert berichtet.

https://p.dw.com/p/1EZHB
Symbolbild Griechenland Pleite Finanzkrise Krise

Von diesem Mittwoch an wird es für griechische Banken schwieriger und teurer, sich Geld zu leihen. Die Europäische Zentralbank (EZB) nimmt griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten für Kredite an. Die Staatsanleihen, die auf den Finanzmärkten als "Ramsch" bewertet werden, waren von der EZB bisher ausnahmsweise als Sicherheiten akzeptiert worden, weil Griechenland sich in einem Hilfsprogramm der Eurogruppe und des Internationalen Währungsfonds befand. Als "Programmland" erfüllte Griechenland gewisse Auflagen der Geldgeber. Dieses Hilfsprogramm, das zweite, läuft am 28. Februar aus. Da die neue griechische Regierung erklärt hat, sie wolle das Programm nicht ordnungsgemäß abschließen und auch kein neues Hilfsprogramm in Anspruch nehmen, hat EZB-Präsident Mario Draghi die Konsequenz gezogen, die er nach den Regeln seiner Bank ziehen musste: Kein Geld mehr für griechische Anleihen.

Damit die griechischen Banken nicht in Zahlungsschwierigkeiten kommen, können sie jetzt auf das "ELA"-Programm der Europäischen Zentralbank zurückgreifen. Die griechische Notenbank kann den Banken Geld leihen, allerdings auf eigenes Risiko und zu höheren Zinsen als bisher. Der Chefvolkswirt der EZB, Peter Praet, machte bei einer Veranstaltung in Lissabon am Dienstag noch einmal klar, dass es sich bei "ELA" um ein vorübergehendes Notprogramm handelt. "Das ist eine Brücke irgendwohin", so Praet. "ELA" kann per Definition keine Dauereinrichtung zur Finanzierung Griechenlands sein. Sollten die Inhaber von Konten in Griechenland auf die Idee kommen, ihre Guthaben schnell und massenhaft aufzulösen, könnten die Banken sehr schnell in arge Schwierigkeiten kommen. Ein hochrangiger Banker in Athen versichterte der Nachrichtenagentur Reuters denn auch gleich, dass der Abfluss von Kapital in den letzten Wochen nicht zugenommen habe.

Mario Draghi Anschnitt
EZB-Chef Draghi: Notfallversorgung griechischer BankenBild: picture-alliance/AP/M. Probst

Euro-Gruppe erwartet Vorschläge von Griechenland

Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden finanziellen Situation in Griechenland treten die 19 Finanzminister der Euro-Staaten in Brüssel zu einer Sondersitzung zusammen. Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, der niederländische Finanzminister Jereon Dijsselbloem möchte vom neuen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis nun erfahren, wie er sich die Sanierung Griechenlands weiter vorstellt. Varoufakis ist zwar durch zahlreiche Hauptstädte der EU gereist, aber Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stellte nach einem Gespräch mit dem griechischen Minister fest, er wisse nicht genau, was dieser wolle und wie das ganze funktionieren solle. Varoufakis lehnt genau wie Regierungschef Alexis Tsipras die Aufnahme weiterer Hilfskredite zu den bisherigen Bedingungen ab. Aus dem laufenden zweiten Hilfsprogramm könnte Griechenland noch 1,8 Milliarden Euro abrufen. Stattdessen bittet Yanis Varoufakis jetzt offenbar um einen Übergangskredit bis zum Juni. Bis dahin will die griechische Koaliton aus radikaler Linker und Rechtspopulisten ein umfassendes Programm vorlegen. Wie hoch dieser Übergangskredit sein soll und zu welchen Bedingungen er aufgenommen werden soll, ist nicht klar.

Premierminister Alexis Tsipras spricht von einer Lösung, die für beide Seiten vorteilhaft wäre. Angeblich gibt es einen zehn Punkte umfassenden Sanierungsplan, den die EU-Kommission in Brüssel aber bislang noch nicht gesehen haben will. Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, sagte im Interview mit der DW, Griechenland könne nicht nur fordern, sondern müsse Kompromisse schließen. "Es wird Sache des Herrn Tsipras sein, sich inhaltlich so festzulegen, dass eine Einigung möglich ist. Es kann nicht so sein, dass sich die 27 anderen EU-Staaten oder 18 anderen Euro-Staaten sich unilateral in Richtung Athen bewegen. Da braucht es schon eine gegenseitige Bewegung, die aber nicht total symmetrisch sein kann", sagte Juncker.

Österreich Griechenland Alexis Tsipras in Wien
Premier Tsipras: Brücken-Finanzierung von der EUBild: Reuters/Heinz-Peter Bader

Krise der Demokratie?

Der Europa-Abgeordnete Dimitrios Papadimoulis, der der Syriza-Bewegung von Tsipras angehört, forderte die Euro-Gruppe auf, "Maßnahmen zu beschließen, die die griechische Verschuldung tragbar machen". Die Vorsitzende der Links-Fraktion im Europäischen Parlament, zu der auch Syriza gehört, sieht gar eine Gefahr für die Demokratie in Europa, wenn der Sparkurs nicht gelockert werde. Schließlich hätten die griechischen Wähler die Sanierungspolitik der Euro-Gruppe abgewählt, sagte Gabi Zimmer. "Ich hatte in den letzten Tagen den Eindruck, dass bei einigen der Verantwortlichen, insbesondere in der EU, noch nicht angekommen ist, dass wir es längst nicht mehr nur mit einer politischen Krise in der EU zu tun haben, sondern dass die Wirtschafts- und Finanzkrise aufs Engste mit einer Krise der Demokratie in der Europäischen Union verbunden ist."

Einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Währungsgemeinschaft habe er nicht auf dem Schirm, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker der DW. Er habe schließlich drei Jahre seines Lebens als Chef der Euro-Gruppe damit zugebracht, Griechenland im Euro zu halten. Auch die neue griechische Regierung will den Euro als Währung behalten. Finanzminister Varoufakis drohte aber in einem Interview schon mal vorsorglich damit, dass Griechenland bei einem erzwungenen Austritt aus der Währungsunion den Rest der Euro-Länder mit in den Abgrund reißen könnte. EU-Diplomaten erwarten in Brüssel eine lange und kontroverse Sitzung in der Euro-Gruppe. Am Donnerstag werden sich dann auch die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfeltreffen mit der Griechenland-Krise beschäftigen. Entscheidungen, so hat es der Chef der Eurogruppe, Jereon Djisselbloem, angekündigt, müssen spätestens am 16. Februar fallen. Dann treffen sich die 19 Staaten mit der Gemeinschaftswährung erneut in Brüssel. Sollte Griechenland sein Hilfsprogramm, das am 28. Februar endet, doch noch verlängern wollen, dann brauche man die Zeit zwischen dem 16. und dem 28. für die praktische Umsetzung. Schließlich müssten auch der Deutsche Bundestag, das griechische Parlament und andere Volksvertretungen in der Euro-Zone so einem Schritt zustimmen.

Griechenland PK Jeroen Dijsselbloem & Gianis Varoufakis 30.01.2015
Keine Freunde: Finanzminister Varoufakis (li.) will nicht mit Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem zusammenarbeitenBild: Aris Messinis/AFP/Getty Images

"Blühende Zeiten" in Griechenland möglich

Einer der wenigen konkreten Vorschläge der neuen griechischen Führung ist, härter gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung in Griechenland zu kämpfen. Das war den bisherigen Parteien wegen der engen Verflechtung mir Wirtschaft und Interessengruppen nicht gelungen. Der Brüsseler Wirtschaftsfachman Zsolt Darvas setzt darauf, dass Syriza dieses Versprechen einlösen kann. "Syriza könnte als neue Partei die Macht haben, dagegen wirklich vorzugehen. Sie könnten viel erreichen, denn die Steuerhinterziehung ist in Griechenland so weit verbreitet, dass man hier wirklich für mehr Gerechtigkeit und mehr Einnahmen für den Staat sorgen könnte. Die könnten dann wieder verwendet werden, um die Wirtschaft zu stützen", sagte Darvas, der am "Bruegel"-Institut in Brüssel forscht.

Der konservative Europa-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) sieht die bisherigen Ankündigungen und Forderungen nach Schuldenschnitten und Übergangskrediten ohne Auflagen skeptisch. Investitionen in Griechenland seien jetzt schon möglich, sagte Ferber der DW. "Wir haben da keinen Mangel an Ideen und Möglichkeiten. Wir haben einen Mangel an Umsetzung. Wir brauchen in Griechenland eine Verwaltung, die auch in der Lage ist, diese Mittel an den Mann zu bringen, sprich Investitionen auszulösen und zuzulassen. Wenn das Herr Varoufakis und Herr Tsipras liefern, dann wird Griechenland blühenden Zeiten entgegen sehen."