Euro goes East
1. Mai 2004Möglichst schnell sollten die mittel- und osteuropäischen Staaten nach ihrem EU-Beitritt den Euro übernehmen. Davon ist der Volkswirt Werner Becker, Senior Economist der Deutschen Bank Research in Frankfurt überzeugt. Denn die europäische Gemeinschaftswährung biete diesen Ländern zahlreiche Vorteile. "Man kommt in den Genuss eines niedrigen Zinsniveaus, einer stabilen Währung, eines festen Wechselkurses zu den Haupthandelspartnern und zum Euroland, aus dem auch viele Direktinvestitionen fließen", sagt Becker.
Zu früher Beitritt hemmt Wachstum
Ohne Wechselkursrisiko könnten die Unternehmen in diesen Ländern besser planen und handeln. So sorge der Euro für mehr Wachstum, glaubt Becker. Doch es gibt auch Argumente gegen einen zu frühen Beitritt zur Europäischen Währungsunion. So warnt Hermann Rempsberger, Vorstand der Deutschen Bundesbank, der wirtschaftliche Aufholprozess in Mittel- und Osteuropa könnte dadurch geschwächt werden.
Der Grund ist, dass in einem solchen Aufholprozess die Inflationsraten durch den so genannten Balassa-Samuelson-Effekt typischerweise höher als in langsam wachsenden Volkswirtschaften sind. Bisher können die Länder ihre höhere Inflation durch eine Abwertung ausgleichen. Das wäre aber in der Euro-Währungsunion nicht mehr möglich. Als Folge drohe ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, warnt Bundesbank-Vorstand Rempsberger.
Hürde Konvergenzkriterien
Um dem Euro beitreten zu können, müssen die neuen EU-Kandidaten aber erst einmal die fünf Kriterien des Maastrichter Vertrags erfüllen.
- Die Inflationsrate darf maximal 1,5 Prozentpunkte über den drei stabilsten Euro-Ländern liegen.
- Die langfristigen Zinssätze dürfen maximal zwei Prozentpunkte über diesen Ländern liegen.
- Die Länder müssen mindestens zwei Jahre am Europäischen Wechselkursmechanismus innerhalb festgelegter Schwankungsbreiten ohne Abwertung teilnehmen.
- Der Gesamtschuldenstand darf maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen.
- Das Haushaltsdefizit darf sich auf maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen.
Dabei ist bereits jetzt ein klarer Konvergenzprozess hin zu den Maastricht-Kriterien zu erkennen - ähnlich wie bei Portugal oder Spanien, die es wider Erwarten 1999 geschafft hatten, zur Euro-Startgruppe zu gehören. Allerdings bereitet das Haushaltsdefizit in manchen Ländern Sorge. So liegen in Ländern wie Ungarn, Polen oder Tschechien die Haushaltsdefizite klar über der Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Überflieger und Sorgenkinder
Was aber die gesamte Staatsverschuldung betrifft, liegen alle mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten noch eindeutig im Rahmen des Maastricht-Vertrages. Aber auch hier bietet sich ein sehr durchwachsenes Bild: Während Estland lediglich rund fünf Prozent Bruttoinlandsprodukt Staatsschulden hat, sind es bei Ungarn inzwischen schon 53 Prozent.
Auch beim Wechselkursregime haben sich einige Länder schon recht weit dem Euro angenähert. So lässt Ungarn seinen Wechselkurs plus minus 15 Prozent gegenüber dem Euro schwanken - die gleiche Bandbreite, die derzeit im Europäischen Wechselkursmechanismus gilt. Estland und Litauen haben ihre Währung in einem so genannten Currency Board praktisch unverrückbar an den Euro angebunden - fast so, als wären sie dem Euro schon beigetreten.
Euro erst ab 2007
Dennoch bleibt der Weg in die Währungsunion langwierig. Da der Beitritt der Länder zur Europäischen Union im Mai 2004 erfolgen soll, kann man durch die vorgeschriebenen zwei Jahre Wartezeit im Europäischen Wechselkursmechanismus wohl erst Anfang 2007 die ersten Euro-Beitritte erwarten. Auch wenn es bis dahin noch vier Jahre sind, sieht Werner Becker schon Top-Kandidaten: "Bei Estland, Polen, Tschechien sowie Ungarn und Slowenien gehe ich davon aus, dass die das schnell schaffen werden."