Euro auf dem Weg nach oben
9. Dezember 2003Ausgerechnet jetzt, wo die europäischen Regierungen angesichts der Diskussion um den Stabilitäts- und Wachstumspakt ein jämmerliches Bild abgeben, ausgerechnet jetzt, wo die europäische Wirtschaft lahmt und die US-Konjunktur dagegen wieder auf Hochtouren zu laufen scheint, ausgerechnet jetzt bricht der Euro Rekordwerte. Noch nie war er im Verhältnis zum Dollar so viel wert.
Euro-Stärke dank schwachen Dollars
Die Gründe für die Euro-Stärke sind wohl eher in der Dollar-Schwäche zu suchen, denn gegenüber dem britischen Pfund und dem japanischen Yen hat der Euro in diesem Jahr nur um knapp zehn Prozent zugelegt, gegenüber dem Dollar jedoch um 20 Prozent. So ist der Kapitalzufluss in die USA ins Stocken geraten. Ausländer kaufen in den USA immer weniger Wertpapiere. Im September 2003 verzeichneten die USA hier ein neues Fünfjahrestief. Gleichzeitig zeigen viele amerikanische Banken und Fonds ein großes Interesse am Euro.
Das deutsche und französische Staatsdefizit, das stille Begräbnis des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes - all das, was eigentlich den Euro schwächen müsste, spielt in der aktuellen Diskussion dagegen überhaupt keine Rolle.
Amerikanisches Defizit drückt auf Dollar
Hinzu kommt: Die USA sind auf einen täglichen Kapitalzufluss in Milliardenhöhe angewiesen, um ihre enormen Defizite in der Handelsbilanz und im Staatshaushalt finanzieren zu können. Zweifel an der Finanzierbarkeit drücken den Dollar zusätzlich. Gustav Horn, Konjunkturexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, meint: Der Dollar sei schwach, "weil die Amerikaner ein sehr hohes außenwirtschaftliches Defizit haben, das heißt, sie verschulden sich mehr und mehr im Ausland, und das überzeugt natürlich die Gläubiger auf Dauer nicht, und sie werten entsprechend die US-Währung ab."
Das hat Folgen für die deutschen Exporte. Diese Erzeugnisse werden überall dort teurer, wo in Dollar abgerechnet wird. Das gegenwärtige Euro-Hoch dürfte den erwarteten Aufschwung in Deutschland schwächen, warnt der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski. Wegen der Euro-Stärke werde es in erster Linie zu Ertragseinbußen kommen, und im Zweifel könnte sie auch Aufträge kosten.
Importe werden billiger
Ähnlich argumentiert Axel Weber, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: "Es gibt Erfahrungswerte, wonach man sagen kann, dass eine zehnprozentige Euro-Aufwertung im laufenden Jahr etwa um 0,2 Prozent niedrigeres Wachstum bedingt und das Gleiche im nächsten Jahr. Das sind Berechnungen, die auf dem Modell der Bundesbank basieren."
Doch jedes Ding hat zwei Seiten, so Rüdiger Pohl, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle und ehemaliges Mitglied des Sachverständigenrates: "Wenn der Euro aufwertet, werden zwar die Exporte teurer, aber die Importe werden billiger. Das heißt: Wir zahlen dann auch für importierte Güter weniger, man hat weniger Kosten in der Wirtschaft - zum Teil auch in der Exportwirtschaft. Weshalb ich dazu neige, die Auswirkungen dieser Wechselkursbewegungen auf den Import und den Export eher niedrig anzusetzen."
Auch der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, Anton Börner, sieht die Euro-Stärke längst nicht so dramatisch wie andere. Schon im Frühjahr sagte er voraus, der Euro werde am Jahresende bei 1,18 Dollar bis 1,20 Dollar stehen. Dennoch werde Deutschland Exportweltmeister bleiben: "Es geht darum, unseren Weltmarktplatz mit der Qualität unserer Produkte und unseres Services zu verteidigen. Und da sind wir in der Tat ziemlich gut aufgestellt."