Euro 2022: Wer hält die Trainerinnen auf?
9. Juli 2022Weniger als die Hälfte der Mannschaften bei der Euro 2022 verfügen über eine Trainerin - es sind nur sechs von 16 Teams. Die übrigen Mannschaften werden von Männern trainiert. "Wir wissen, dass es in der Trainerausbildung noch Verbesserungsbedarf gibt", sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg jüngst. "Wir müssen Chancen bieten. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass es Chancengleichheit gibt."
Im internationalen Frauenfußball stagnieren die Zahlen. Bei der WM 2019 gab es nur neun Cheftrainerinnen - von 24 Teams. Genauso viele waren es bei der WM 2015. Bei der EM 2017 gab es nur sechs Trainerinnen - genau wie in diesem Sommer.
Dabei sind die regionalen Turniere der anderen FIFA-Verbände noch gar nicht berücksichtigt. Bei den europäischen Nationalmannschaften dominieren also nach wie vor die Männer auf den Trainerposten.
Viele Erfolge der Trainerinnen
In dieser Frage unterscheidet sich der DFB von den Verbänden der anderen Ländern. Seit 1996 wird die deutsche Nationalmannschaft ausnahmslos von Frauen trainiert. "Die meisten Titel wurden von Trainerinnen gewonnen und nicht von Männern", sagte Voss-Tecklenburg.
Die erfolgreichsten Zeiten hat Deutschland unter Trainerinnen erlebt. Silvia Neid, die von 2005 bis 2016 im Amt war, führte Deutschland zu Titeln bei Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und Olympischen Spielen.
Das DFB-Team ist aber auch nicht die einzige Mannschaft, die unter den wachsamen Augen einer Trainerin solche Höhenflüge erreicht hat. Jill Ellis etwa führte die USA 2015 und 2019 zwei Mal zum Gewinn der WM. Sie ist damit die einzige Trainerin, die den Titel zweimal gewinnen konnte.
Oder Kanada. Im Jahr 2020 verpflichtete der kanadische Verband die damals 34-jährige Beverly Priestman - und machte sie damit zu einer der jüngsten Cheftrainerinnen im internationalen Fußball. Und diese Entscheidung stellte sich als absolut richtig heraus. Priestman schrieb bei den Olympischen Spielen in Tokio Geschichte, als sie die Kanadierinnen zur ersten Goldmedaille im Fußball überhaupt führte.
Deutschland als Vorbild?
Trotz dieser Erfolgsgeschichten ist es für Frauen nach wie vor schwierig, einen Job im Spitzenfußball zu bekommen - wobei Deutschland eine bemerkenswerte Ausnahme darstellt. Seit der DFB im Jahr 1982 die Nationalmannschaft ins Leben gerufen hat, gab es in Deutschland nur einen männlichen Trainer - vielleicht zwei, wenn man Horst Hrubesch mitzählt, der 2018 für acht Spiele interimistisch das Ruder übernahm.
"Chancengleichheit zu schaffen, ist hier ein großes Thema. Ich kann nur sagen, dass der DFB ein Vorbild ist", sagte Voss-Tecklenburg. "Wir haben überall Trainerinnen und ein vielfältiges Team. Wir sind auf einem guten Weg." Neben der Cheftrainerin gibt es viele weitere Mitarbeiterinnen rund um die Mannschaft, wie eine Psychologin, die Mediensprecherin sowie weitere Frauen im Funktionsteam. Allerdings: Auch in der Frauen-Bundesliga hat von den zwölf Mannschaften nur ein Verein eine Trainerin.
Nur sechs Prozent Trainerinnen
"Ich hatte wenige Herausforderungen. Aber ich denke, das hat auch mit mir zu tun. Ich bin immer diesen geraden Weg gegangen und habe mich von nichts aufhalten lassen", sagt Voss-Tecklenburg. "Ich bin aber nicht gerade das beste Vorbild", sagte die Bundestrainerin. "Wir sollten Frauen fragen, die mit dem Coaching angefangen, dann aber aufgegeben und sich für etwas anderes entschieden haben. Oder die sich aus irgendeinem Grund entschieden haben, den nächsten Schritt nicht zu machen."
Laut Statistiken der UEFA sind nur sechs Prozent aller qualifizierten Trainer Frauen. Einen eindeutigen Grund dafür gibt es nicht. Anhaltender Sexismus, mangelnde Förderung oder auch ein Mangel an Möglichkeiten könnten Ursache sein. Frauen fühlen sich oft auch immer noch nicht ernst genommen im (Fußball-) Umfeld.
Aus dem Englischen übersetzt von Jörg Strohschein