EU kämpft gegen Desinformation aus Moskau
16. Dezember 2018Noch sind sie nur ein kleiner Haufen: die EU-Beamten, die gegen russische Fake News kämpfen sollen. 14 Kommunikationsexperten und Analysten des Europäischen Auswärtigen Dienstes bilden die sogenannte East StratCom Task Force.
Vor drei Jahren wurde sie eingerichtet, um einen Eindruck davon zu bekommen, in welchem Umfang der Kreml bzw. kremlnahe Kräfte versuchen, die europäische Öffentlichkeit durch Desinformationskampagnen im Internet zu beeinflussen. Seitdem hat die Task Force nach eigenen Angaben 4500 Fälle dokumentiert und die Mechanismen, Techniken und Absichten der russischen Quellen enthüllt.
Jetzt will die EU in die Offensive gehen – nicht mit den Methoden der Russen, sondern durch Aufklärung der europäischen Öffentlichkeit.
Ziele: Verunsichern und schwächen
Wohl anlässlich der Europawahlen im kommenden Jahr hat die EU das Budget der Task Force für 2019 auf fünf Millionen Euro aufgestockt und plant, die Analysetruppe um 50 Mitarbeiter zu erweitern. Das soll helfen, zu verhindern, dass Moskau wie bei den Präsidentschaftswahlen in den USA versucht auf die Wahl zum Europaparlament Einfluss zu nehmen, zum Beispiel durch Stimmungsmache für die antieuropäischen Parteien.
"Durch gut koordinierte Kampagnen kann auch eine stabile Demokratie verunsichert oder im schlimmsten Fall geschwächt oder unterminiert werden", sagt ein EU-Sprecher.
Beispiele: Der Fall Skripal und der Ukrainekrieg
Wie so etwas in der Praxis funktioniert, zeigt der Fall des übergelaufenen russischen Geheimdienstagenten Andrej Skripal. Als er und seine Tochter im März in England zusammenbrachen und ins Krankenhaus gebracht wurden, konnten die Ärzte eine Vergiftung mit dem in Russland produzierten Nervengift Nowitschok feststellen. Als die britische Regierung mit dem Finger auf Moskau zeigte, reagierten die Russen sofort. Auf diversen Webseiten und Social-Media-Plattformen wurden gezielt bis zu 20 verschiedene Versionen zu dem Fall verbreitet, die die britische Darstellung in Frage stellen sollten. "Am Ende glaubten viele Europäer gar nichts mehr, leider auch nicht die Wahrheit", so ein EU-Sprecher.
Und im Ukraine-Russland-Konflikt haben russische Akteure laut EU gezielt versucht, drei Gruppen in Deutschland zu beeinflussen: Russlanddeutsche, die AfD und die Linkspartei. Das Motto: 'Stärke die politischen Ränder und du destabilisierst das System.'
Manchmal reiche es auch schon aus, im Kern die Wahrheit zu sagen, aber durch Aufblähen von Teilaspekten oder gefälschten Indizien, im Fachjargon "Artificial Enhancement" genannt, den öffentlichen Diskurs zu verzerren, erklärt ein Experte der EU.
Der 'Joint Action Plan'
Für die meisten durchschnittlichen Mediennutzer ist es sehr schwer, perfide gefälschten Artikel und Social-Media-Posts als Fakes zu identifizieren. Zumal Studien bewiesen haben, dass sich Desinformation im Netz sechsmal schneller verbreitet als authentische Information.
Also wollen die Staats- und Regierungschefs der EU jetzt in die Informationsoffensive gehen.
Grundlage ist ein Aktionsplan, den die Kommission umsetzen soll. Demnach sollen zunächst die EU-Organe und -Mitgliedsländer miteinander vernetzt werden. Außerdem sollen der Privatsektor (Google, Twitter und Facebook) sowie NATO und G-7 mit ins Boot geholt werden.
Das Ziel: Ein engerer Austausch, um schneller und gemeinsam gegen Fake News vorgehen zu können. Es soll ein Frühwarnsystem entstehen, das quasi in Echtzeit vor russischen Desinformationskampagnen warnt.
Die europäische Öffentlichkeit soll außerdem mit einem Leitfaden zu gefälschten Informationen im Internet sensibilisiert werden. Bisher gibt es nur einen Newsletter, der ausschließlich an Insider und Journalisten adressiert ist.