EU weist türkisches Ultimatum zurück
31. Juli 2016Die EU-Kommission reagiert zurückhaltend auf die türkische Warnung, den Flüchtlingspakt aufzukündigen, wenn die Visumspflicht für die EU nicht bis Herbst aufgehoben wird. Man werde sich von den Drohungen aus Ankara nicht beeinflussen lassen, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde der Deutschen Presse-Agentur. Die Visumfreiheit werde es nur geben, wenn alle Bedingungen erfüllt seien. Aus der Kommission hieß es zudem, Experten der Kommission stünden weiter bereit, um Ankara bei der Umsetzung zu unterstützen.
Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu hatte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt, der Flüchtlingspakt funktioniere, weil sein Land "sehr ernsthafte Maßnahmen" ergriffen habe, etwa gegen Menschenschmuggler. Ebenso sei aber die Aufhebung der Visumpflicht für türkische Bürger zur Einreise in die EU ein Teil des Abkommens, sagte Cavusoglu.
"Wir erwarten ein festes Datum"
Der Minister versicherte, dies solle "keine Drohung" sein. Wenn es jedoch nicht zu einer Visa-Liberalisierung komme, "werden wir gezwungen sein, vom Rücknahmeabkommen und der Vereinbarung vom 18. März Abstand zu nehmen." Cavusoglu sagte weiter, die türkische Regierung erwarte "einen konkreten Termin" für die Visa-Liberalisierung. "Es kann Anfang oder Mitte Oktober sein - aber wir erwarten ein festes Datum."
Die Visumpflicht für türkische Staatsbürger sollte ursprünglich ab Juli aufgehoben werden. Dieser Termin hat sich aber verschoben, weil die Türkei noch nicht alle 72 Bedingungen erfüllt hat, darunter die Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetze. Die EU will, dass sie so geändert werden, dass sie nicht gegen politische Gegner missbraucht werden können.
Der Flüchtlingspakt mit der Türkei soll den Zustrom von Migranten in die Länder der Europäischen Union in Grenzen halten. Wenn die Türkei Flüchtlinge zurücknimmt, die illegal von ihrem Territorium aus in die EU eingereist sind, soll sie finanzielle Hilfe in Milliardenhöhe erhalten. Außerdem verpflichtet sich die EU, für jeden illegal eingereisten Syrer, der von Griechenland aus zurück in die Türkei gebracht wird, einen Syrer auf legalem Weg aufzunehmen. Damit soll eine illegale Einreise über die gefährliche Ägäis-Route verhindert werden.
Den Türken wurde im Gegenzug Visafreiheit in der EU in Aussicht gestellt sowie beschleunigte Beitrittsgespräche - wenn sie zusätzlich eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Davon war das Land jedoch schon vor dem Militärputsch und der folgenden Säuberungswelle weit entfernt.
Das Flüchtlingsabkommen ist fragil
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte sich bereits besorgt über die Zukunft der Vereinbarung geäußert. Es gebe ein großes Risiko, dass das Abkommen scheitern könne, sagte er der österreichischen Zeitung "Kurier". Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe bereits mehrmals durchblicken lassen, das Abkommen aufkündigen zu wollen. Sollte dies geschehen, könne man damit rechnen, "dass wieder Flüchtlinge vor Europa stehen".
Zugleich äußerte sich Juncker sehr besorgt über die aktuelle Entwicklung in der Türkei. Eine Einführung der Todesstrafe etwa, die derzeit in der Türkei diskutiert wird, "würde zum sofortigen Bruch der Beitrittsverhandlungen führen".
Seit dem gescheiterten Putschversuch des Militärs Mitte Juli sind in der Türkei Zehntausende Militärangehörige, Beamte, Lehrer und andere Staatsbedienstete entlassen, versetzt oder festgenommen worden.
cw/rb (rtr, kna)