EU verspricht Geld - und zahlt nicht
14. Oktober 2015Unter Hochdruck sucht die Europäische Union angesichts des Flüchtlingszustroms nach Europa nach Wegen, die Krise zu bewältigen. Dazu will die EU etwa für bessere Bedingungen in den Herkunftsregionen der Menschen sorgen. Dies kostet Geld - doch das kommt offenbar nur ganz allmählich zusammen, wie die Tageszeitung "Die Welt" unter Berufung auf hohe EU-Kreise berichtet.
Zahlungsverpflichtungen weit verfehlt
Die beim Brüsseler Flüchtlings-Sondergipfel im September für das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am kommenden Donnerstag vereinbarten Zahlungen seien "bei weitem nicht geflossen", schreibt "Die Welt". So gebe es bisher anstelle der versprochenen 1,8 Milliarden Euro für den Nothilfe-Treuhandfonds Afrika zur Bekämpfung von Fluchtursachen lediglich Zusagen von 24,3 Millionen Euro. Davon kämen 8,9 Millionen Euro allein von den Nicht-EU-Ländern Norwegen und Schweiz.
Deutschland habe bisher, ebenso wie Frankreich, Großbritannien und Österreich, für den Treuhandfonds für Afrika überhaupt keine Mittel zugesagt. "Bei der Finanzierung des Welthungerprogramms und des Treuhandfonds Syrien ist die Situation ähnlich: Den großen Versprechungen folgen keine Taten", hieß es laut dem Medienbericht in Brüssel.
Fehlendes Personal für Hotspots
Die EU-Kommission hat seit dem Sondergipfel im September insgesamt 2,8 Milliarden Euro an neuen Flüchtlingshilfen zur Verfügung gestellt - jeweils 500 Millionen Euro für das Welthungerprogramm und den Treuhandfonds Syrien und 1,8 Milliarden Euro für den Nothilfe-Treuhandfonds Afrika. Die EU-Länder hatten sich laut Beschluss des Sondergipfels verpflichtet, "entsprechende Beträge" in gleicher Höhe bereitzustellen.
Wie es in hohen EU-Kreisen weiter hieß, verläuft auch der Aufbau von Registrierungszentren für Flüchtlinge, den sogenannten Hotspots, in Griechenland und Italien bislang nur stockend. Es fehle Personal, weil die EU-Staaten ihre Zusagen bisher nur unzureichend erfüllt und die erforderlichen Experten zur Registrierung von Flüchtlingen nicht ausreichend geschickt haben. Deutschland und Österreich gehörten zu den wenigen Ländern, die ihren Verpflichtungen bei der Entsendung von Experten nachgekommen seien. Funktionierende Registrierungszentren sind eine Grundvoraussetzung dafür, Flüchtlinge, die in der EU angekommen sind, in großem Stil auf alle Mitgliedsländer zu verteilen.
Tusk sieht Transitland Türkei in der Pflicht
Kurz vor dem EU-Herbstgipfel erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk, die Türkei, über die ein Großteil der Flüchtlinge nach Europa einreist, könne nur mit einem Entgegenkommen rechnen, wenn sie dafür sorge, dass die Zahl der Migranten abnimmt. Das schrieb der polnische Politiker in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten. "Zugeständnisse werden nur gerechtfertigt sein, wenn dieses Ziel erreicht ist", so Tusk. Selbst wenn der Andrang von Flüchtlingen im Winter nachlasse, müsse die EU auf den Frühling und damit auf "größere Wellen" vorbereitet sein. Alle politischen Führer, mit denen er in der Region gesprochen habe, hätten vor Millionen möglicher neuer Flüchtlinge gewarnt. "Der außergewöhnlich leichte Zugang nach Europa ist einer der Hauptanziehungsfaktoren", argumentierte Tusk.
Die Regierung in Ankara fordert von der EU als Gegenleistung für Hilfe bei der Flüchtlingskrise Reiseerleichterungen für eigene Bürger, mehr Geld sowie Fortschritte bei den Verhandlungen über einen EU-Beitritt.
Der Deutsche Bundestag befasst sich an diesem Mittwoch in einer aktuellen Stunde mit der Lage in der Türkei und dem Flüchtlingsansturm nach Europa.
qu/jj (rtr, dpa, Die Welt)