EU und China kurz vor Handelsabkommen
18. Dezember 2020Fast sieben Jahre verhandeln die Europäische Union und China bereits über ein Investitionsschutzabkommen. Jetzt, kurz vor Ende der deutschen Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union, scheint ein Abschluss möglich. Es gebe eine politische Einigung auf ein Handelsabkommen, das die Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen in China verbessern dürfte, heißt es übereinstimmend aus diplomatischen Quellen in Brüssel und Peking. "Die Verhandlungen sind in der Schlussphase", sagte Wang Wenbin, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. Am Freitag befassten sich die EU-Botschafter der 27 Mitgliedsstaaten mit der möglichen Vereinbarung.
China ändert seine Haltung
Der finale Text, der alle rechtlichen Bedingungen enthalten soll, muss noch ausgearbeitet werden. Im Prinzip erleichtert der Deal europäischen Unternehmen, Niederlassungen in China zu betreiben oder chinesische Firmen zu kaufen. Die bisherige Praxis chinesischer Firmen, den Transfer von Knowhow und Technologie aus den westlichen Ländern zu erzwingen, soll beschnitten werden. China will die staatlichen Beihilfen für seine Firmen begrenzen.
Die chinesische Seite war bislang eher zögerlich bei den Verhandlungen und verlangte, chinesische Unternehmen müssten auch Zugang zu Bereichen wie Energie- und Wasserversorgung in der EU bekommen. Das hatte die EU bisher abgelehnt und damit angefangen, chinesische Übernahmen von Firmen in Europa kritischer als bislang auf ihre strategische Bedeutung zu überprüfen. Angesichts des Handelskrieges zwischen den USA und China mit Strafzöllen und Sanktionen war die kommunistische Führung in Peking jetzt offenbar bereit, sich der EU mit ihren 450 Millionen Kunden weiter zu öffnen. China ist in diesem Jahr erstmals der größte Handelspartner der EU noch vor den USA.
Deutschland macht Druck
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich sehr für eine Reform der Handelsbeziehungen mit China eingesetzt. Ein Gipfeltreffen der EU mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping sollte der Höhepunkt der deutschen Ratspräsidentschaft im auslaufenden Halbjahr werden. Wegen der Pandemie wurde das Treffen abgesagt. Trotzdem wurde offenbar weiter mit Erfolg an dem Handelsabkommen gearbeitet. Es wäre das zweite Abkommen, das unter deutscher Ratspräsidentschaft gelingt. Im Sommer war ein Abkommen über die Anerkennung von Herkunftsbezeichnungen unterzeichnet worden.
Angela Merkel macht sich seit Jahren für gute wirtschaftliche Beziehungen mit China stark. Deutschland ist in der EU der größte Exporteur von Waren nach China. Die EU sieht die Ein-Parteien-Diktatur China mit ihrer marktwirtschaftlichen Orientierung gleichzeitig als "systemischen Rivalen", "wirtschaftlichen Konkurrenten" und Partner in einigen Bereichen.
Zwangsarbeit in China abschaffen
Ein großer Stolperstein in den Verhandlungen war die Abschaffung von Zwangsarbeit in China, die die EU fordert. Auch Bundeskanzlerin Merkel soll darauf persönlich gedrängt haben. China soll die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO verbindlich anerkennen und umsetzen, und zwar bevor ein Handelsabkommen in Kraft treten kann. Darauf legt auch das Europäische Parlament, das einen Deal mit China billigen müsste, großen Wert.
Fortlaufende Internierungen und Zwangsarbeit für die Minderheit der Uiguren müssten aufhören, fordert der grüne Europaabgeordnete und Chinaexperte Reinhard Bütikofer. "Das Europäische Parlament fordert europäische Unternehmen auf, Geschäftsbeziehungen mit chinesischen Partnern abzubrechen, wenn sie Menschenrechtsverletzungen Vorschub leisten", sagte Bütikofer am Donnerstag. Internationale Unternehmen verstießen gegen jede ethische Norm, wenn sie Gewinne durch Zwangsarbeit erzielten. "Wir fordern, dass das derzeit verhandelte Investitionsabkommen mit China angemessene Verpflichtungen zur Einhaltung internationaler Konventionen gegen Zwangsarbeit enthalten muss."
Stirnrunzeln in Washington?
Sollte ein Abkommen mit China noch vor dem Jahreswechsel zustande kommen, könnte das die ersten Gespräche der EU mit dem neuen US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden komplizierter machen, vermuten Diplomaten in Brüssel. Der Demokrat Biden, der am 20. Januar sein Amt antreten wird, will vorerst an den US-amerikanischen Strafzöllen gegen China festhalten. Biden will den von seinem Vorgänger Donald Trump verschärften Kurs gegen Peking vorerst beibehalten. Gleichzeitig wollen eine Biden-Regierung und die EU aber auch das transatlantische Verhältnis und die Handelsbeziehungen wieder verbessern.
Das Investitionsschutzabkommen soll sowohl die industrielle Fertigung, Finanzdienstleistungen, Immobiliengeschäfte als auch das Baugewerbe sowie Transporte zu See und in der Luft umfassen.