EU und Arabische Liga tasten sich heran
24. Februar 2019Bewacht von Hunderten Soldaten und Polizisten liegt das Internationale Konferenzzentrum von Scharm el Scheich wie eine gut getarnte Trutzburg in der Wüste. Grauer Beton und Stahl, fast keine Fenster. Schutz vor der Sonne und vielleicht auch Heckenschützen. Ein hoher Zaun umschließt das Gelände, in dem rund 50 Könige, Emire, Autokraten, Präsidenten und Regierungschefs aus der Arabischen Welt und der Europäischen Union für zwei Tage erstmals auf höchster politischer Ebene über bessere Kooperation beraten.
Die schwer bewaffneten Posten und zahlreichen Straßensperren erinnern daran, dass im Norden der Sinai-Halbinsel, gar nicht so weit von Scharm el Scheich, Terroristen des "Islamischen Staates" gegen Ägypten kämpfen. Der autokratisch regierende Präsident Ägyptens, Abdel Fatah al-Sisi, nutzt den Aufstand, um nicht nur gegen die Terroristen, sondern auch gegen Kritiker im eigenen Land vorzugehen. Der Gastgeber des Gipfeltreffens zwischen Arabischer Liga und EU beschwor denn auch bei der Eröffnung des Treffens, den gemeinsamen Kampf gegen den Terror zu verschärfen. "Der Terror hat sich wie eine schädliche Plage verbreitet", warnte der ägyptische Präsident. EU und Arabische Liga müssten enger zusammenrücken als bisher. Die beiden Regionen verbinde mehr als sie trenne.
Noch große Distanz
Kopfnicken und Zustimmung bei den Vertretern der EU-Staaten im riesigen Plenarsaal des Konferenzentrums. Der Emir von Kuwait, Sabah al-Ahmad al-Dschabir as-Sabah, sagte in seiner Rede, er sei "überglücklich" an diesem Treffen teilnehmen zu können. Jeder Teilnehmer war hinter einem schweren Holztisch verschanzt, rechts und links üppiger Blumenschmuck und mehrere Meter Abstand zum Sitznachbarn. "Durch den ganzen Prunk brauchte man schon ein Fernglas, um einander im Saal überhaupt sehen zu können", scherzte ein teilnehmender EU-Diplomat.
Bei vielen Themen außer der Sicherheitsfrage, sind die Abstände, auch die politischen, zwischen den Europäern und den Arabern noch groß. Bei strittigen Themen wie den Kriegen in Syrien oder Jemen, bei der Migration oder den Menschenrechten gab es bislang keine erkennbare Annäherung. Das sei aber auch nicht das Ziel dieses allerersten Gipfeltreffens der beiden Regionen, ließ die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini durchblicken. "Dass der Gipfel überhaupt stattfindet, ist schon ein Wert an sich", sagte die italienische Politikerin, die ihre Laufbahn in der EU mit der schrittweisen Annäherung an die Arabischen Staaten krönen will. Sie scheidet im Herbst aus der EU-Kommission aus.
"Gemeinsame Interessen"
"Es ist mir klar, dass es zwischen uns Differenzen gibt", sagte der Ratspräsident der Europäischen Union, Donald Tusk, der das Treffen neben Präsident Al-Sisi leitet. "Wir sind nicht hier, um so zu tun als würden wir in allem übereinstimmen, aber wir sehen gemeinsame Herausforderungen und gemeinsame Interessen." Donald Tusk spielte womöglich auf den Nahostfriedensprozess an, wo sich die EU und die Arabische Liga immer noch gemeinsam für eine "Zwei-Staaten-Lösung" einsetzen, also der Gründung eines palästinensischen Staates neben dem bereits existierenden Israel.
Der amerikanische Präsident Donald Trump scheint sich von diesem 25 Jahre alten Konzept, das bislang nicht umgesetzt werden konnte, zu verabschieden. Nach den Wahlen in Israel am 09. April will Trump angeblich seinen lange angekündigten und bislang mysteriösen Friedensplan für Israel und die Palästinenser veröffentlichen. EU-Vertreter Tusk will den USA das Feld nicht ganz überlassen. "Wir sind heute hier, um unsere Kooperation zum Wohl unserer Völker zu stärken. Wir sollten das zusammen machen und nicht irgendwelchen Mächten überlassen, die weit weg von unserer Region leben", sagte Tusk in Scharm el Scheich.
Der Außenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Riyad al-Malki, stimmte zu. Er setzte sich vor Journalisten dafür ein, die "Zwei-Staaten-Lösung" noch zu retten. Er warnte vor einseitigen Aktionen Israels gegen die Bevölkerung Palästinas. Im von der Terrororganisation Hamas regierten Gaza-Streifen demonstrierten gleichzeitig zur Konferenz in Scharm el Scheich zahlreiche Menschen gegen die Palästinenserbehörde. Im besetzten Westjordanland gab es dagegen Kundgebungen für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der geplante Wahlen immer wieder verschiebt.
Migration kein vorrangiges Thema
Die EU-Beauftragte Federica Mogherini versuchte, ein auch in der EU strittiges Thema weitgehend vom Gipfel auszublenden: Migration. Die arabischen und vor allem die nordafrikanischen Staaten lehnen Vorschläge der Europäer ab, "Asylzentren" oder "Anlandungsplattformen" in Afrika zu bauen, um die Überfahrt von Migranten über das Mittelmeer zu verhindern. Die Hilfsorganisation "Brot für die Welt" warnte die EU davor, die Migrationsprobleme an Regierungen in Nordafrika auszulagern, die systematisch Menschenrechte verletzten oder sich an Kriegsverbrechen beteiligten. "Es birgt unkalkulierbare Risiken für Migrantinnen und Migranten, aber auch für uns Europäer, wenn wir unsere rechtstaatlichen Prinzipen über Bord werfen, um den Zugang nach Europa zu verwehren", warnte "Brot für die Welt". Wegschauen löse keine Probleme, sondern führe am Ende zu noch mehr Migration.
Mit allen reden
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will mit den Herkunfts- und Transitländern der Migranten stärker zusammenarbeiten. Er habe natürlich Bauchschmerzen, wenn er mit manchen Potentaten und Autokraten in diesen Staaten verhandeln müsse. "Aber wenn ich nur mit lupenreinen Demokraten sprechen würde, wäre meine Arbeitswoche bereits jeden Dienstag beendet", sagte Juncker vor Reportern. "Um Annäherung zu erreichen, muss man miteinander reden", erläuterte ein EU-Beamter die Worte seines Chefs. Dazu sei Scharm el Scheich der richtige Ort.
Menschenrechte ansprechen
Der Ministerpräsident von Luxemburg, Xavier Bettel, wollte die Menschenrechte und deren Verletzung in vielen Staaten der Arabischen Liga auf jeden Fall ansprechen. "Wenn ich als Schwuler das nicht mache, dann hätte ich ein Problem. Natürlich werde ich das tun", sagte Bettel. Ob der Regierungschef des Zwergstaates Luxemburg im Gastgeberland Ägypten allerdings Ernst genommen wird, ist zweifelhaft. In Ägypten und andern konservativen arabischen Staaten werden Homosexuelle verfolgt, inhaftiert und vor Gericht gestellt.