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EU sieht sich beim Klimaschutz vorn

10. Oktober 2018

Der Beschluss der Umweltminister war ein weiterer Schritt hin zum Klimaschutz, aber noch kein Durchbruch. Es wird weiter verhandelt - und zwar mit dem Europaparlament und der EU-Kommission. Bernd Riegert berichtet.

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Autoabgase aus einem Auspuffrohr
Bild: picture-alliance/Joker/A. Stein

Nach langen Verhandlungen der EU-Umweltminister in Luxemburg sieht die österreichische Ministerin Elisabeth Köstinger den Klimaschutz in der Union "auf der Überholspur". Köstinger führte den Vorsitz bei den Beratungen über die Begrenzung des CO2-Ausstoßes bei Kraftfahrzeugen ab dem Jahr 2030. Dann müssen Neuwagen 35 Prozent weniger Emissionen ausstoßen als 2021. Ob der eingeschlagene Weg tatsächlich eine Überholspur für den Klimaschutz ist, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Der Ministerrat muss jetzt mit dem Europäischen Parlament über neue Grenzwerte verhandeln. Die Zustimmung der Mitgliedsstaaten und des Parlaments ist nötig, um neue Umweltgesetze zu beschließen. Die beiden EU-Gremien sind sozusagen die zwei Kammern der europäischen Gesetzgebung. Das Europäische Parlament hat bereits ehrgeizigere Ziele vorgesehen. Die Parlamentarier gehen mit einer Forderung nach einem auf 40 Prozent gesenktem CO2-Ausstoß für Neuwagen in die Gespräche. Bis Ende März sollen die sogenannten "Trilog"-Verhandlungen, an denen auch die EU-Kommission beteiligt ist, abgeschlossen werden. Dann könnte das Plenum des Parlaments noch vor der Europawahl im Mai 2019 abschließend abstimmen. Gelingt das nicht, muss die Entscheidung bis zur Konstituierung des neuen Parlaments um mehrere Monate verschoben werden.

Berlin Svenja Schulze, Bundesumweltministerin, SPD
Umweltministerin Schulze: Kompromiss der EU übersteigt Vorgaben aus BerlinBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Am Ende ein Kompromiss zwischen 35 und 40 Prozent?

Da alle Beteiligten mit harten Verhandlungen rechnen, beginnen die Beratungen bereits am heutigen Mittwoch. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD im Europaparlament, Ismail Ertug, sieht in den Verhandlungen gute Chancen, den höheren Wert des Parlaments durchsetzen. Denn die Front der Mitgliedsstaaten, die jetzt offiziell 35 Prozent vertreten, bröckelt. Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze, die eigentlich für das weniger ambitionierte 30-Prozent-Ziel eintreten sollte, sprach von sehr schwierigen Verhandlungen. 20 Länder waren für 35 Prozent. Vier der 28 Mitgliedsstaaten wollten höhere Ziele. Vier enthielten sich. Viele osteuropäische Staaten haben dem Kompromiss nur zähneknirschend zugestimmt. Sie wollten nur eine Senkung von 30 Prozent, um die Autoindustrie nicht zu sehr zu belasten. Der ungarische Umweltminister argumentierte, dass die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Autohersteller leiden werde.

Schweden, Stockholm: Erstes Elektroauto EQC
Mehr Elektroautos: Der erste Mercedes wird entwickelt. China, Japan und die USA produzieren schon lange.Bild: Reuters/E. Vaish

Mehr Elektroautos nötig

Festgelegt wird die Reduzierung nicht für jedes einzelne neue Fahrzeug, das von 2030 in der EU verkauft wird, sondern für die "Flotte" eines Herstellers. Ein Autohersteller kann damit weiterhin Sprit schluckende SUVs produzieren, wenn er gleichzeitig auch Elektroautos mit Null Emissionen verkauft. Wichtig ist der Durchschnittswert aller verkauften Neuwagen. Die deutsche Regierung ist bemüht, die deutschen Hersteller noch etwas zu schonen, weil Volkswagen, Mercedes und BMW bei der Entwicklung von reinen Elektrofahrzeugen eher hinterher hinken. Frankreichs Umweltminister plädiert bereits heute für ein 40-Prozent-Ziel, da die französischen Automarken Peugeot und Citroen in Sachen Klimaschutz weiter sind als die deutschen.

Die drastische Mahnung der UN-Klimaexperten von dieser Woche, "beispiellose" und "sehr schnelle" Reformen zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu ergreifen, haben die Umweltminister der EU in Luxemburg zwar gehört, die jetzt beschlossene Verhandlungsposition ist aber nicht beispiellos oder besonders drastisch.

Deutschland Bernhard Mattes, Vorstand Ford
Noch ist nichts Gesetz: Autolobbyist Mattes will das Europaparlament bearbeitenBild: Getty Images/S. Gallup

Autoindustrie hält die Ziele für zu hoch

Der Chef des Verbandes der deutschen Automobilhersteller (VDA), Bernhard Mattes, kündigte in einem Interview mit dem "Rundfunk Berlin Brandenburg" verstärkte Lobbyarbeit während der Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament an. Es müsse eine Balance zwischen Klimaschutz und Schutz der Arbeitsplätze in der Automobilindustrie erreicht werden, sagte der Verbandschef. "Der Kommissionsvorschlag mit minus 30 Prozent wäre in diese Richtung gegangen, ist immer noch sehr ambitioniert und hätte einen hohen Anteil von Elektromobilität erfordert. Wir haben noch die Verhandlungen zwischen der Kommission,  dem Rat und dem Parlament. Wir als Automobil-Industrie werden mit unseren Argumenten an dieser Diskussion teilnehmen."

EU-Diplomaten wiesen darauf hin, dass die CO2-Emissionen von Fahrzeugen in Europa lediglich 15 Prozent der Klimabelastung verursachen. Im Weltmaßstab gesehen sind das nur wenige Prozent, also Bruchteile des gesamten Problems. Wichtiger seien im weltweiten Vergleich die Emissionen von Kraftwerken, Industrie und der Ausstoß von Gebäude-Heizungen.

Infografik weltweiter CO2-Ausstoß pro Kopf ENG

Grüne kritisieren Umweltminister

Für diese Sektoren haben die Umweltminister in einer Verhandlungsposition für nächste Weltklimakonferenz beschlossen, dass sie energisch vorangehen wollen und den Klimaschutz stärken wollen. Eine Verschärfung bereits vorhandener Klimaschutzziele ist damit aber noch nicht verbunden. Sie liegen für die EU weiter bei 40 Prozent Reduktion im Jahr 2030 - verglichen mit dem Referenzjahr 1990. "Wir sind aber zu Anpassungen bereit", schrieben die Minister in ihrer Stellungnahme in Luxemburg.

Der grüne Europa-Abgeordnete Reinhard Bütikofer kritisierte, die EU-Umweltminister hätten sich mit ihren Entscheidungen lächerlich gemacht. "Sie haben es geschafft, gleichzeitig zu beschließen, dass sie international klimapolitische Anführerschaft beanspruchen, und zu demonstrieren, dass sie nur Anführer im Stillstand sind. Der sogenannte Kompromiss von 35 Prozent ist ein Muster ohne Wert. Für die Besitzstandswahrer zu viel, und für diejenigen, die eine zukunftsfähige europäische Industrie wollen, bei weitem zu wenig", sagte Bütikofer in Brüssel.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union