EU-Sozialisten küren Schulz
11. März 2014In vier Sprachen wendet sich der lachende Kandidat an die Delegierten in Rom. In fließendem Englisch, Französisch, Italienisch und seiner Muttersprache Deutsch zeigt Martin Schulz (Mi.), dass die Europäische Union (EU), trotz aller Kritik an bürokratischen Auswüchsen, immer noch das Beste ist, was dem Kontinent nach den Kriegen des letzten Jahrhunderts passieren konnte. Man müsse es nur richtig machen, um Frustration und Euro-Skepsis einzudämmen. Dafür sei er natürlich der richtige Mann. "Wir wollen ein besseres Europa. Ein Europa, das das Leben der Menschen verbessert. Ein Europa, das verspricht eine bessere Zukunft zu bieten. Ich habe das Herz und die Entschlossenheit, diesen Kampf zu kämpfen. Aber das kann ich nicht alleine tun", sagte der Präsident des Europäischen Parlaments. Vor allem gehe es darum, Jobs zu schaffen und der jungen Generation mehr Chancen zu bieten.
Nach dem Heimspiel in Rom beginnt der mühsame Wahlkampf
Mit überwältigender Mehrheit wählten die Vertreter von 28 sozialdemokratischen Parteien Martin Schulz zu ihrem Spitzenkandidaten. Das war nicht weiter verwunderlich, er war der einzige Kandidat. Aber trotzdem wagen die Parteien mit einem ganz auf die Person eines Spitzenkandidaten zugeschnittenen Wahlkampf etwas Neues. Die Europawahl soll aufgepeppt und an Personen festgemacht werden.
Das ist auch dringend nötig, sagte Martin Schulz, denn nur 43 Prozent aller Europäer gingen bei den Wahlen zum multinationalen Parlament tatsächlich an die Urnen. "Genossen und Freunde! Wenn nur einige von euch, die beim letzten Mal gar nicht gewählt haben, jetzt für uns stimmen, dann werden wird diesmal die Europäischen Wahlen gewinnen!", rief Schulz den Delegierten in Rom zu.
Die Wahlkampfstrategie der Sozialdemokraten zielt vor allem darauf ab, junge Menschen zu motivieren, überhaupt zur Europawahl zu gehen. Wenn es gelingen würde, die Wahlbeteiligung um fünf Prozent zu steigern, dann wäre die Wahl für das sozialdemokratische Lager zu gewinnen, glauben die Wahlkampfmanager. "Wer an dem Tag nicht wählen geht, der hat dann keine Möglichkeit mehr, sich zu beklagen über dieses oder jenes, was ihm nicht passt", sagte Udo Bullmann, der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, der Deutschen Welle. Den Wählern müsse immer wieder erklärt werden, dass sie am Wahltag Europa gestalten und sie das dann auch tun sollten, so Bullmann. Martin Schulz versprach in allen 28 Mitgliedsstaaten, persönlich an "Türen zu klopfen und Klinken zu putzen, um Wähler zu gewinnen".
Ein Mann mit Höhen und Tiefen
Der 58-jährige Martin Schulz präsentiert sich als Mann aus dem Volk und erzählt gerne, dass er auch einmal ganz unten war. Er überwand seine Alkoholsucht vor über 30 Jahren und arbeitete sich hoch - vom Buchhändler und Bürgermeister in Würselen zum Präsidenten des Europäischen Parlaments. Und jetzt will er nach der Macht greifen als Chef der EU-Exekutiven. Die Kommission, so Schulz, müsse wieder eine politische koordinierende Rolle spielen.
Die Nationalstaaten, also der Rat der Staats- und Regierungschefs, würden heute zu viel bestimmen. Was er als erstes den Beamten der EU-Kommission sagen würden, wenn er deren Chef würde, beschrieb Martin Schulz gegenüber der Deutschen Welle so: "Ich würde denen sagen: Denkt doch bitte nicht darüber nach, ob es nicht irgendwo in Europa noch ein Eckchen gibt, in das wir uns noch nicht eingemischt haben. Sondern denkt darüber nach, ob das, was wir hier machen, nicht möglicherweise lokal, regional oder national besser gemacht werden könnte."
Martin Schulz muss jetzt dafür kämpfen, dass die Sozialisten die stärkste Gruppe im Europäischen Parlament werden, nur dann hat er eine Chance von den Staats- und Regierungschefs tatsächlich als EU-Kommissionspräsident nominiert und dann vom Parlament bestätigt zu werden. Schulz traut sich das Amt des EU-Kommissionspräsidenten zu, obwohl er noch nie ein hochrangiges Regierungsamt innehatte.
Duell mit konservativem Kandidaten
Der in diesem Jahr zum ersten Mal inszenierte Zweikampf zwischen den Spitzenkandidaten - Martin Schulz von den Sozialisten, und wahrscheinlich Jean-Claude Juncker von den Konservativen - soll die fade Europawahl spannender machen.
Die Konservativen bestimmen ihren Kandidaten in einer Kampfabstimmung in der kommenden Woche in Dublin. Nach der Wirtschaftskrise in Europa gehen viele Wahlforscher davon aus, dass rechts- und linksradikale Gruppen und Euro-Skeptiker stark dazu gewinnen werden. Schon jetzt sind im Europäischen Parlament über 160 Parteien vertreten. Davon will sich SPD-Wahlkämpfer Udo Bullmann aber nicht schrecken lassen. "Je klarer wir machen, worauf es ankommt in Europa und je mehr Menschen zur Wahl gehen, desto weniger werden Splitterparteien eine Chance haben. Wenn man Europa gestalten will, braucht man ein politisches Programm. Das heißt, die Wählerinnen und Wähler werden sich nicht nur im Reflex anschauen, was verspricht eine Überschrift, sondern sie werden prüfen, wer was will in Europa."