EU-Sanktionen gegen Iran
15. Oktober 2012Die neuen Sanktionen der EU sollen das iranische Regime da treffen, wo es am meisten weh tut - im Energiesektor. Zusätzlich zum bereits bestehenden Ölembargo seit Juli 2012 ist nun auch der Gasimport verboten, obwohl die EU aus dem Iran derzeit kein Erdgas bezieht. Das umfassende Paket beinhaltet außerdem Geschäftsverbote mit 34 iranischen Unternehmen, die Verbindungen zur Regierung unterhalten.
Das Geschäft mit Gas und Öl ist die wichtigste Einnahmequelle für Teheran. Durch die am Montag (15.10.2012) beschlossene Erweiterung der Sanktionen könnte der Energiesektor im Iran spürbar geschwächt werden. Größere Finanztransaktionen zwischen iranischen und europäischen Banken sind nur noch unter strikten Auflagen erlaubt. Lediglich Zahlungen für Lebensmittel und medizinische oder humanitäre Güter sind möglich.
Iran unbeeindruckt von drohenden Maßnahmen
Bisher lösten internationale Sanktionen nur Schulterzucken im Iran aus. Als Reaktion wurde wiederholt erklärt, dass die Regierung nicht auf Urananreicherungen verzichten wolle. Israel und der Westen verdächtigen Teheran seit langem, unter dem Deckmantel ziviler Forschung heimlich an Kernwaffen zu arbeiten. Die iranische Führung bestreitet dies hartnäckig. Zuletzt ließ der mächtigste Mann des Landes, Ayatollah Ali Khamenei, am Mittwoch (10.10.2012) verlauten, dass Sanktionen sein Land nicht abschrecken würden: "Unsere Feinde sollen wissen, dass die Islamische Republik die Probleme überwinden wird." In der Atomfrage trifft Khamenei als politischer und religiöser Führer alle Entscheidungen. Seine Aussage enthält eine klare Botschaft für den Westen: Sanktioniert uns ruhig weiter, wir werden trotzdem nicht auf das Atomprogramm verzichten.
Wen treffen die Sanktionen am härtesten?
Das Volk leidet. Das glaubt der iranische Wirtschaftsexperte Hassan Mansour. Die Sanktionen führten nicht zum Ziel: "Der Westen glaubt, dass mit der Verschärfung der Sanktionen das Leben des iranischen Volks unerträglicher werden und somit auch der Druck auf die Regierung größer würde." Dies sei nach Mansour aber eine Fehlkalkulation, denn diktatorische Systeme - unter anderem auch das iranische - hören nicht auf das Volk. "Das Volk wird unter der enormen Last der Sanktionen zerdrückt. Die Menschen können nicht mehr für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Und was macht das Staatsoberhaupt Khamenei? Er weicht keinen Schritt zurück."
Dieselbe Position vertritt auch Mehrdad Emadi, Iran-Berater der Europäischen Union. Leidtragende seien die einfachen Menschen. Für die negative wirtschaftliche Entwicklung des Irans sieht er aber in erster Linie das iranische Regime selbst verantwortlich. Die Wirtschaftspolitik der Regierung und die fehlende Kontrolle bei Staatsausgaben hätten die verheerenden Probleme verursacht.
Keine Finanzaufsicht für Präsident Ahmadinedjad
Die Abschaffung des Staatlichen Amtes für Management und Planung als weisungsfreie Finanzkontrolle im Jahr 2007 habe dazu geführt, dass es keine staatliche Institution mehr gibt, die die Ausgaben der Regierung kontrolliere. Eine richtige parlamentarische Aufsicht finde auch nicht statt. Dadurch könne Präsident Mahmud Ahmadinedschad Staatseinnahmen nach eigenen Vorlieben ausgeben.
Ob es um Hilfszahlungen an das syrische Regime, Wohnungsbau im "Bruderstaat" Venezuela oder die Vergabe von milliardenschweren Krediten an inkompetente und regimetreue Unternehmen ging - die Regierung hat freie Hand. "So wurde ein fruchtbarer Boden für Korruption und Vetternwirtschaft geschaffen", betont Emadi.
Irans Wirtschaft schwächt ab
Schon am 1. Juli 2012 traten die EU-Sanktionen gegen den Ölsektor und die Zentralbank des Irans in Kraft. Nach offiziellen Angaben hat das Land am Persischen Golf seitdem zwischen 35 bis 45 Prozent seiner Einnahmen eingebüßt.
"Solange die Regierung Erdöl exportieren kann, ist sie auch in der Lage, die Wirtschaftsmisere durch Finanzspritzen zu verdecken", so Iran-Experte Emadi. Seit dem Ölembargo seitens der EU fehlten jedoch die sogenannten Öl-Dollars.
Trotz der jüngsten harschen Erklärung von Khamenei berichtet Emadi neuerdings von Signalen aus der Islamischen Republik. Es gebe Interessensbekundungen für die Wiederaufnahme der abgebrochenen Verhandlungen mit dem Westen. Auch die EU habe kein Interesse, diesen Konflikt weiter eskalieren zu lassen. Falls sich die EU und der Iran bald annähern sollten, sieht Emadi die Hoffnung, dass dieser Konflikt auf diplomatischem Wege beigelegt werden könnte. Allerdings: "Die Zeit ist vorangeschritten und der EU ist es sehr ernst mit ihren Bemühungen, das iranische Atomprogramm zu stoppen."