EU-Bericht: Demokratie in Ungarn in Gefahr
12. April 2018Aufgelistet wird ein breites Spektrum höchst zweifelhafter staatlicher Maßnahmen im EU-Mitgliedsstaat Ungarn: In der jüngsten Analyse des Europäischen Parlaments wird verwiesen auf Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Forschungsfreiheit, eine Schwächung des Verfassungs- und Justizsystems und von Nichtregierungsorganisationen. Darüber hinaus werden Korruption sowie Verstöße gegen die Rechte von Minderheiten und Flüchtlingen genannt. Diese "Fakten und Trends zusammengenommen stehen für eine beginnende systemische Bedrohung von Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechte in Ungarn", resümierte die Berichterstatterin Judith Sargentini vor den Abgeordneten in Brüssel.
Strafverfahren auch gegen Ungarn?
"Die Zeit der Warnungen ist vorbei", sagte die niederländische Politikerin. In einem Resolutionsentwurf empfahl sie, ein Sanktionsverfahrens wegen Gefährdung von EU-Grundwerten einzuleiten, wie es bereits gegen Polen läuft. Ob es dafür eine Mehrheit gibt, ist allerdings unklar. Sargentini legte ihren Bericht zunächst dem Innenausschuss vor. Die Grüne aus Amsterdam war im Mai 2017 nach einer sehr kritischen Ungarn-Resolution des Parlaments mit dem Bericht beauftragt worden. Sargentini hat darin diverse kritische Stellungnahmen internationaler Institutionen wie der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats zusammengetragen.
Sollte das Plenum des Parlaments den Ungarn-Vorschlag im September mit Zwei-Drittel-Mehrheit billigen, läge das weitere Verfahren beim EU-Ministerrat. Aus der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der die ungarische Regierungspartei Fidesz wie auch CDU und CSU gehören, gibt es starken Widerstand gegen eine Maßregelung der Regierung in Budapest.
Ministerpräsident Viktor Orban und seine nationalkonservative rechtspopulistische Fidesz haben bei der Parlamentswahl am Sonntag einen deutlichen Sieg eingefahren, was in der EU die Sorge vor einer weiteren Konfrontation anwachsen ließ. Aus einigen Regierungen ist die Forderung laut geworden, denjenigen Staaten, die dauerhaft gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen, Fördergelder zu streichen, so etwa Polen und Ungarn. Dies dürfte zum Beispiel auch ein wichtiges Thema beim Treffen der EU-Europaminister an diesem Donnerstag in Luxemburg sein.
Milliardenhilfe nur bei Rechtsstaatlichkeit?
Beraten wird über die Prioritäten für die Struktur- und Regionalförderung im kommenden Jahrzehnt. Im aktuellen Sieben-Jahreszeitraum bis 2020 stehen dafür 454 Milliarden Euro zur Verfügung. Ziel der sogenannten "Kohäsionspolitik" ist die Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU. Gefördert werden Projekte in Bereichen wie Verkehr, Umwelt, Energie, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung.
Auch die deutsche Bundesregierung will die Vergabe von Fördermilliarden der EU künftig an die Einhaltung demokratischer Prinzipien knüpfen. "Die Kohäsions- und Strukturpolitik muss dazu beitragen, unsere gemeinsamen europäischen Werte und die Rechtsstaatlichkeit weiter zu stärken", verlangte Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig. Wie andere Regierungen fordert auch Deutschland, dass im Gegenzug diejenigen Mitgliedstaaten, die Flüchtlinge aufnehmen, mehr Gelder erhalten sollen.
SC/se (dpa, afp)