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Politik

Malta: EU-Abgeordnete wollen schnellere Mordermittlung

21. September 2018

Der Tod der investigativen Journalistin Daphne Caruana Galizia bringt die Behörden auf Malta in Bedrängnis. Wer sind die Hintermänner, fragen die Familie und Europaabgeordnete. Aus Valletta Bernd Riegert.

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Malta Mordfall Daphne Galizia Gedenken Sven Giegold
Trauer auf Malta: Europaabgeordneter Giegold zündet eine Kerze für Mordopfer Daphne Galizia anBild: DW/B. Riegert

An den Stufen eines Denkmal gegenüber dem Gerichtsgebäude in der Altstadt von Valletta legen zwei Dutzend Demonstranten bunte Blumensträuße nieder und zünden rote Grablichter an. Am Bauzaun, der das Denkmal neuerdings umschließt, haben die Aktivisten von der Gruppe #occupyjustice ein Bild der ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia aufgestellt. An dieser Stelle, unweit des Justizministeriums, gedenken die Menschen der vormals am meisten gelesenen Bloggerin auf Malta. Vor elf Monaten wurde sie in ihrem Auto in die Luft gesprengt. Seit elf Monaten, glauben die Aktivisten von #occupyjustice, werden die Ermittlungen von der Justiz verschleppt. Deshalb wollen sie mit Plakaten, Fotos und Blumen erinnern und mahnen. Das gefällt den Behörden in Valletta offenbar nicht.

Bereits 17 Mal wurde das provisorische Mahnmal von städtischen Arbeitern und der Müllabfuhr abgeräumt. "Wir kommen aber immer wieder", sagt Pia Zammit von der Aktivistengruppe trotzig. "Der einzige Grund, warum sie unsere Schilder und Blumen abräumen, ist, dass sie Angst davor haben, was wir sagen. In einem demokratischen Staat in Europa sollten die Menschen das Recht haben, gegen alles zu protestieren." Daphne Caruana Galizia hat Korruption aufgedeckt, über finanzielle Machenschaften auch von Regierungsmitgliedern geschrieben. Sie hatte viele Feinde und alleine über 40 Verleumdungsklagen am Hals. Viele hätten ein Motiv gehabt, sie aus dem Weg zu räumen, mutmaßt ihre Freundin Pia Zammit. "Sie hat über Menschen geschrieben, sie hat über Korruption geschrieben und sie hat Dinge enthüllt, die nicht gut für sie waren. Diese Menschen wurden noch nicht einmal über ein mögliches Motiv im Zusammenhang mit dem Mord von der Polizei befragt. Es tut mir leid, aber das ist keine gründliche Ermittlung", sagt die resolute Schauspielerin im Gespräch mit der DW.

Malta Mordfall Daphne Galizia Protestgruppe #occupyjustice
Protest beim Justizminister: Pia Zammit (re.) mit einem Porträt der Journalist GaliziaBild: DW/B. Riegert

Europaparlamentarier unterstützen Aktivisten

Zum 18. Mal also wird die kleine Gedenkstätte wieder aufgebaut. Diesmal sind auch die Europaabgeordneten Sven Giegold aus Deutschland und Roberta Metsola aus Malta dabei. Sven Giegold beobachtet den Umgang Maltas mit Korruption, Geldwäsche, Briefkastenfirmen und zwielichtigen Finanzgeschäften schon länger. Er zündet ein Kerze für die Journalistin Daphne Galizia an und spricht ein stilles Gebet. Er glaubt, dass die Ermittlungen verschleppt werden. Es sei schon sehr verdächtig, dass der ermittelnde Staatsanwalt im Fall Daphne Galizia kürzlich befördert und weggelobt wurde, bevor er seine Ermittlungen abschließen konnte. "Nach allem, was hier passiert ist, habe ich natürlich kein Vertrauen mehr in die maltesischen Behörden", sagt Sven Giegold der DW in Valletta. "Bei der Geldwäsche wurden die schweren Fälle nicht von den Behörden in Malta aufgedeckt, sondern durch Informationen vor allem aus den USA." Autobomben und organisiertes Verbrechen habe es schon lange vor dem Mord an Daphne Galizia gegeben. "Wenn die Presse hier neue Fälle von Korruption oder organisierter Kriminalität veröffentlicht, leitet die Polizei kein Ermittlungsverfahren ein. Darüber haben wir mit dem Obersten Richter, dem Generalstaatsanwalt und der Polizei gesprochen. Niemand fühlt sich wirklich verantwortlich", schildert Sven Giegold die Zustände auf Malta.

Justizminister weist Vorwürfe zurück

Giegold ist Teil einer Delegation des Europäischen Parlaments, die schon zum zweiten Mal in Valletta ist, um sich über die rechtsstaatlichen Verfahren auf Malta zu informieren. Das Fazit der Delegation fällt eindeutig aus. Der Rechtsstaat sei in Gefahr, heißt es von den Abgeordneten bei einer Pressekonferenz nach zahlreichen Gesprächen, unter anderem auch mit dem Justizminister Owen Bonnici. Der Justizminister ist auch als einziger Behördenvertreter bereit, der DW ein Interview zu geben. Polizei und Staatsanwaltschaft wiesen unsere Anfragen zurück. Owen Bonnici versteht die ganze Aufregung und auch die Einschätzung der Europaparlamentarier nicht. "Die Polizei tut ihr Bestes, um diesen abscheulichen Mord aufzuklären. Ich gratuliere ihr zu der fantastischen Arbeit, die sie macht", nimmt Owen seine Beamten in Schutz.

Malta Mordfall Daphne Galizia Justizminister Owen Bonnici
Bonnici: Wir machen Überstunden, um die Hintermänner zu findenBild: DW/B. Riegert

Tatsächlich soll gegen drei mutmaßliche Bombenleger demnächst Anklage erhoben werden. Die polizeibekannten Kriminellen aus Malta sollen das Auto von Daphne Caruana Galizia mit einer sehr kraftvollen ferngesteuerten Bombe gesprengt haben, als sie von ihrem Haus in Richtung Valletta auf einer Landstraße fuhr. Sie haben allerdings kein erkennbares Motiv. Wer den Mord in Auftrag gegeben haben könnte, ist auch elf Monate nach der Tat nicht klar. "Wir machen Überstunden, um zu versuchen, der Sache wirklich auf den Grund zu gehen. Wir haben uns dem voll und ganz verschrieben", versichert Justizminister Bonnici der DW. "Wir haben die Polizei, die mit internationaler Hilfe, mit Hilfe von europäischen Behörden, ermittelt. Wir haben auch die Justizbehörden, die ermitteln und die hier in Malta vollkommen unabhängig sind. Ich habe volles Vertrauen in diese Institutionen und ich hoffe, dass sie der Sache sehr bald auf den Grund gehen werden." Jeder Stein werde umgedreht, um die wahren Mörder zu fassen.

Malta Mordfall Daphne Galizia Polizeistation in Valletta
Maltas Polizei folgt nicht allen Spuren, kritisieren EU-Parlamentarier und die FamilieBild: DW/B. Riegert

Familie des Opfers fordert mehr Tempo 

An der Darstellung des Justizministers hat die Familie der Ermordeten große Zweifel. Der Anwalt der Familie, Jason Azzopardi, glaubt nicht, dass wirklich "jeder Stein umgedreht" werde. "Das ist einfach nicht wahr", so Azzopardi. Er forderte im Gespräch mit den Europaabgeordneten aus Brüssel eine öffentliche Ermittlung mit Anhörungen durch mehr und kompetente Staatsanwälte. Die Justizbehörden lehnen das bisher ab. Der Staat, so vermutet der Anwalt der Opferfamilie, wolle seine Mandanten mundtot machen: "Es gab ein Klima der Einschüchterung und Drohungen gegen Daphne und auch ihre Familie. Und das geht nach ihrem Tod bis heute weiter. Das machen Leute sehr nah an der Regierung, um Daphne und ihre Familie zu entmenschlichen und zu dämonisieren. Die Regierung beharrt auf der Lüge, dass die Forderungen der Familie nach Gerechtigkeit eine Kritik am Staat seien, was in einer demokratischen Gesellschaft natürlich nicht zutrifft."

Der maltesische Justizminister Owen Bonnici widerspricht der Darstellung des Anwalts. Er wehrt sich dagegen, dass so getan wird, als ob ganz Malta in dunkle Geschäfte oder organisierte Kriminalität verwickelt sei. "Der Fall Daphne wird schnell vorangetrieben. Wir hören Zeugen aus allen Ecken der Welt. Die kommen nach Malta und sagen aus. Die Ermittlungen laufen gut, um auch die Auftraggeber des Mordes zu finden", sagt Owen gegenüber der DW. Der Europaabgeordnete Sven Giegold bleibt skeptisch. Bisher sei nicht das Maximum bei den Ermittlungen herausgeholt worden. Es müsse weiter Druck auf die Regierung ausgeübt werden, um gegen Korruption und Geldwäsche vorzugehen. Das Europaparlament werde wachsam bleiben, verspricht Giegold.

Malta Mordfall Daphne Galizia Gedenkstätte
Tatort an der Landstraße: Hier wurde vor elf Monaten die Bombe gezündetBild: DW/B. Riegert

"Wir machen weiter"

Ein weiteres Mahnmal für die ermordete Journalistin ist an der Stelle entstanden, wo die Bombe vor elf Monaten detonierte. Dort auf einem Acker bei dem Dorf Bidnija, in dem Daphne Galizia in einem alten Bauernhaus wohnte, steht ein großes mit Blumen geschmücktes Porträt von ihr. Dieses Mahnmal ist noch nicht abgeräumt worden, weil es weit weg von den Touristenströmen und den Mächtigen in Valletta liegt, vermuten die #occupyjustice-Demonstranten. Hier haben sie aufgeschrieben, was sie verlangen. In großen Lettern steht auf einem Holzschild: "Wir wollen Gerechtigkeit und wir wollen wissen, wer das getan hat." Die investigative Arbeit der Bloggerin Daphne Galizia wird vom "Daphne-Projekt" aus internationalen Medien und auch von maltesischen Journalisten fortgeführt. Einer von ihnen ist Manuel Delia, der den Blog seines Vorbilds Daphne weiterschreibt: "Wir versuchen, Daphne in diese dunkle Höhle zu folgen, in der sie schon sehr tief drinnen war. So tief, dass sie in eine tödliche Falle geraten ist. Wir wissen, dass da mehr Fallen sind, die wir nicht kennen. Aber das hält uns nicht davon ab, weiter zu forschen."

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union