EU-Parlament sanktioniert Suu Kyi
10. September 2020Die Außenministerin und de-facto-Regierungschefin in Myanmar (dem ehemaligen Birma), Aung San Suu Kyi, ist vom EU-Parlament aus der Gemeinschaft der renommierten Sacharow-Preisträger ausgeschlossen worden. "Suu Kyi ist den Werten, für die der Sacharow-Preis steht, nicht gerecht geworden", erklärte EU-Parlamentsvizepräsidentin Heidi Hautala (Grüne) in Brüssel. Sie habe ihre Position nicht genutzt, um die Rechte der muslimischen Rohingya-Minderheit zu schützen. Konkret kritisieren die Parlamentarier ihre "Untätigkeit und ihre Akzeptanz der anhaltenden Verbrechen gegen die Rohingya-Volksgruppe in Myanmar".
Wegen einer brutalen Offensive der Armee im westlichen Rakhine-Staat flohen seit Ende August 2017 mehr als 740.000 Rohingya nach Bangladesch. UN-Ermittler sprechen von Völkermord. Diesen Vorwurf wies Suu Kyi zuletzt im Dezember während einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof im niederländischen Den Haag zurück.
Aber keine Aberkennung des Preises
Formell aberkannt wird ihr die vom EU-Parlament 1990 verliehene Auszeichnung für ihren gewaltlosen Kampf für Demokratie aber nicht. Der Sacharow-Preis sei ihr für konkrete Aktionen zugesprochen worden, und "man kann ihr nicht absprechen, was sie in der Vergangenheit getan hat", begründeten Parlamentarier die Entscheidung. Die 75-Jährige erhielt den Preis, als sie unter der damals herrschenden Militärjunta in Myanmar Oppositionsführerin war und unter Arrest stand.
Ähnlich hatte auch das Nobelpreiskomitee gegen eine Aberkennung argumentiert. 1991 war Suu Kyi mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden.
Die Sacharow-Gemeinschaft verbindet Abgeordnete, Preisträger und die Zivilgesellschaft, um die Zusammenarbeit bei Menschenrechten sowohl in Brüssel als auch auf internationaler Ebene zu stärken. Es ist das erste Mal, dass das EU-Parlament einen Preisträger ausschließt.
Der Preis für Meinungsfreiheit wird seit 1988 jährlich vom Europa-Parlament vergeben. Er zeichnet Persönlichkeiten und Institutionen aus, die sich besonders für Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten, die Achtung des Völkerrechts und geistige Freiheit einsetzen.
Mehrere Auszeichnungen aberkannt
Die einst als konsequente Demokratie-Verfechtern gefeierte Suu Kyi steht inzwischen im Fokus weltweiter Kritik. In den vergangenen Jahren waren ihr deshalb mehrere internationale Auszeichnungen aberkannt worden. Im November 2018 entzog Amnesty International ihr den Ehrentitel "Botschafterin des Gewissens", die höchste Auszeichnung, die die Organisation zu vergeben hat. Zuvor hatte das kanadische Parlament entschieden, Suu Kyi die Ehrenstaatsbürgerschaft abzuerkennen. Das Holocaust-Museum in Washington entzog ihr den Elie-Wiesel-Preis.
se/qu (epd, kna, afp, dpa, rtr)