EU lehnt Neuregelung beim Kindergeld ab
10. August 2018Die EU-Kommission lehnt eine Neuregelung von Kindergeldzahlungen ins europäische Ausland weiterhin ab. Diese Beträge an die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes anzupassen sei nirgendwo im EU-Recht vorgesehen, sagte eine Kommissionssprecherin der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Grund dafür sei das Diskriminierungsverbot. Stattdessen sollten die Instrumente im Kampf gegen möglichen Missbrauch gestärkt werden.
Hintergrund ist ein Rekord an ausländischen Kindergeldempfängern in Deutschland - verbunden mit Hinweisen auf Betrugsfälle. Im Juni wurde hierzulande Kindergeld für 268.336 Kinder gezahlt, die im EU-Ausland leben. Das ist eine Zunahme um 10,4 Prozent seit Ende 2017. Im Inland bekommen mehr als 2,7 Millionen Kinder aus anderen Ländern Kindergeld. Insgesamt beziehen 15,29 Millionen Jungen und Mädchen diese Leistung in oder aus Deutschland.
Link: "Gesetze müssten feinjustiert werden"
Mehrere Rathauschefs sprechen von einer wachsenden Migration in das deutsche Sozialsystem, die auch von Schleusern und Schlepperbanden befördert werde. Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) forderte die Bundesregierung zum Handeln auf. "Die Gesetze müssten so feinjustiert werden, dass es nicht mehr reicht, als Arbeitnehmer zu gelten, wenn ich einen Minijob habe und dann aufstockende Leistungen bekomme", sagte der SPD-Politiker in der ARD. Es könne nicht sein, dass eine Arbeit von wenigen Stunden pro Woche ausreiche, um den Rest des Einkommens vom Sozialamt zu bekommen.
SPD-Chefin Andrea Nahles hat bereits für Ende September ein Spitzentreffen mit betroffenen Städten einberufen, um das Problem zu erörtern. "Es ist klar, dass wir Missbrauch und organisierter Kriminalität einen Riegel vorschieben müssen", sagte Nahles.
Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sagte der dpa: "Wenn bestimmte Menschen gezielt nach Deutschland kommen, um sich hier Kindergeldbezüge für ihre im EU-Ausland lebenden Kinder zu erschleichen, keiner sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen, keinen wirklichen Wohnsitz haben oder mit gefälschten Papieren falsche Tatsachen vorspiegeln, muss man von organisiertem Missbrauch des Freizügigkeitsrechts sprechen." In solchen Fällen sei zu prüfen," ob die Voraussetzungen für das im Freizügigkeitsgesetz zugestandene Aufenthaltsrecht der Eltern überhaupt noch vorliegen oder ihr Aufenthalt in Deutschland nicht beendet werden sollte."
Schneider: "Kürzung wäre armselig"
Der Paritätische Gesamtverband verteidigte hingegen die Regelungen für Kindergeldzahlungen an im Ausland wohnende Kinder. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider nannte die geltende Praxis völlig korrekt und fair. "Im Regelfall geht es um die Kinder von Eltern, die hier in Deutschland erwerbstätig sind - und zwar nicht nur scheinbar", sagte Schneider der dpa. "Sie zahlen ihre Steuern nach deutschem Recht und deutschen Steuersätzen. Damit haben sie auch ein Anrecht auf entsprechende bundesdeutsche Kinderfreibeträge beziehungsweise das Kindergeld."
Davon zu unterscheiden sei die vom Duisburger Oberbürgermeister angesprochene "Problematik von Schleppern, die osteuropäische Menschen scheinbeschäftigen und in Schrottimmobilien unterbringen, um sie letztlich in schlimmster Weise auszubeuten", erklärte Schneider. Das seien "mafiöse Strukturen", die aufgebrochen werden müssten. "Wenn unserer Politik dazu nichts Besseres einfallen sollte als die Kürzung des Kindergeldes, ist das mehr als armselig."
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), rief in der Debatte zu Sachlichkeit auf. Natürlich müsse Sozialmissbrauch bekämpft werden, sagte sie der "Rheinischen Post". Die meisten in Deutschland lebenden ausländischen Staatsbürger jedoch arbeiteten und zahlten in die Sozialkassen ein. Sie betonte zugleich, die Bundesregierung setze sich in der EU weiter dafür ein, dass das Kindergeld für die in der Heimat lebenden Kinder an den Standard des jeweiligen Wohnort des Kindes angepasst werde.
Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sieht die Kommunen selbst in der Pflicht. "Sie müssten ihr Recht viel härter durchsetzen, Menschen in das Heimatland zurückzuschicken, wenn die Personen hier nach drei Monaten keine Arbeit gefunden haben", sagte Brok der "Rheinischen Post".
jj/jmw (dpa, afp)