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PolitikEuropa

EU-Kommission sieht Corona-Impfung im April

28. Oktober 2020

Mit düsteren Warnungen stimmt die Präsidentin der EU-Kommission die Europäer auf lange andauernde Einschränkungen ein. Weihnachten werde anders - und Impfungen gebe es wohl erst im April 2021. Von Bernd Riegert, Brüssel.

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Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen
Bild: Virginia Mayo/Pool/AP/picture alliance

"Die Corona-Lage ist sehr ernst", sagte Ursula von der Leyen mit gefassten Blick in die Kamera. Ihre virtuelle Pressekonferenz findet in Brüssel statt, der Stadt, die momentan die höchsten Infektionsraten in ganz Europa aufweist. In der zweiten Welle der Pandemie, in der Europa "tief drinsteckt", seien es zwei Feinde, mit denen man ringen müsse: das Virus selbst und die zunehmende Müdigkeit der Europäer, die Corona-Maßnahmen durchzuhalten. Von der Leyen forderte die Europäer auf, in ihrem Kampf gegen die Pandemie nicht nachzulassen. "Es wird noch bis zum April 2021 dauern", bis man mit nennenswerten Impfaktionen beginnen könne, sagte die EU-Kommissionspräsidentin, die selbst ausgebildete Ärztin ist.

Belgien Coronavirus Maskenpflicht
Brennpunkt Belgien: Maskenpflicht, Ausgangssperre, geschlossene LokaleBild: Robin Utrecht/picture-alliance

Mehr Koordination

"Jetzt ist nicht die Zeit, locker zu lassen", mahnte die Chefin der EU-Verwaltung. Während in vielen Staaten Europas wieder Kontaktbeschränkungen eingeführt oder verschärft werden, verlangte Ursula von der Leyen, dass jeder seinen Teil zur Corona-Bekämpfung beitragen müsse - von der lokalen bis zur europäischen Ebene. Die EU-Staaten sollen ihre Maßnahmen stärker als bisher koordinieren. Die EU-Kommission drängt auf einheitliche Standards bei Quarantäne-Maßnahmen, ein europäisches Register für Bettenkapazitäten in der Intensivmedizin wäre wünschenswert. Nach wie vor übermittelten nicht alle Staaten alle notwendigen Pandemiedaten an die Europäische Seuchenbehörde ECDC in Stockholm, heißt es aus der EU-Kommission. Die EU-Staaten sollten sich auf einheitliche Formulare und Verfahren zur Nachverfolgungen von Passagierdaten und Kontakten verständigen.

Für Impfungen gewappnet sein

Besonderen Wert legt die EU-Kommission jetzt darauf, dass sich die 27 Mitgliedsstaaten auf Impfungen vorbereiten. Dazu sei es nötig, dass alle Staaten einen Impfplan mit Logistikketten, Kühllagern und Verteilzentren für die gesamte Bevölkerungen entwickelten. Den gemeinsamen Einkauf von 1,2 Milliarden Impfdosen organisiert die EU-Kommission bereits zentral. Jetzt sollen Kriterien entwickelt werden, wer wann zuerst geimpft wird.

Professor Peter Piot
Peter Piot: Die Lage ist ernst, aber wir haben es in der Hand.Bild: AFP/Getty Images

Der medizinische  Sonderberater der EU-Kommissionspräsidentin, der belgische Virologe Peter Piot, sagte in Brüssel, es gebe elf aussichtsreiche Kandidaten für einen Impfstoff. Ein Wundermittel dürfe man aber nicht erwarten. Es werde lange dauern bis eine ausreichende Immunität in der Bevölkerung erreicht werden könne. "Ich bin sehr besorgt, dass sich nach Umfragen etwa 25 Prozent der Menschen in der EU gar nicht impfen lassen wollen", sagte Peter Piot. Er habe Verständnis dafür, dass die Menschen inzwischen an "Corona-Müdigkeit" litten, also die Maßnahmen nur noch unzureichend umsetzten. Nur 60 Prozent der Bevölkerung würden Masken richtig tragen, nötig seien aber 95 Prozent, damit Ansteckungen verhindert werden könnte, mahnt der medizinische Berater der EU-Kommission. Peter Piot entdeckte das Ebola-Virus und leitete zehn Jahre das HIV/Aids-Programm der Vereinten Nationen.

EU-Gipfel zur Coronalage

Piot sagte, derzeit würden täglich rund 1000 EU-Bürger an oder mit Covid-19 sterben. Das seien zu viele. Ein Lichtblick sei, dass die Behandlungen in Krankenhäusern derzeit erfolgreicher seien als zu Beginn der Pandemie. Wegen besserer Verfahren würden weniger Menschen sterben, die in Krankenhäuser eingeliefert werden. "Die Lage ist ernst, aber wir haben es noch in der Hand, sie zu ändern", meinte der belgische Mediziner. Peter Piot war selbst an Covid-19 erkrankte und litt nach eigenen Angaben monatelang unter chronischer Erschöpfung. Er wisse wovon er rede, so Piot.

Niederlande Coronavirus | Krankenschwester in Amsterdam
Gesundheitswesen an der Grenze: Schwestern in den Niederlanden protestieren (Archiv)Bild: Hollandse Hoogte/Imago Images

Am Donnerstag wollen sich die Staats- und Regierungschefs der EU mit der sich zuspitzenden Corona-Pandemie beschäftigen. Der Vorsitzende der Gipfelrunde, EU-Ratspräsident Charles Michel, drängt darauf, dass die EU vermehrt auf Corona-Schnelltests setzt, um Reisende, Pflegepersonal und Bewohner von Altenheimen verstärkt und wirkungsvoll testen zu können. Die EU-Kommission will 100 Millionen Euro bereitstellen, um Schnelltests anzukaufen. Es dürfe aber keinen Wettlauf der Mitgliedsstaaten untereinander um die Schnelltests geben, fordert EU-Ratspräsident Charles Michel.

"Zu schnell geöffnet"

Auf die Frage einer Journalistin, warum die bisherige Strategie der EU zur Eindämmung nicht gegriffen habe, war die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kurz verunsichert. Dann gestand sie ein, dass die Mitgliedsstaaten die Maßnahmen im Sommer '"offenbar zu schnell" gelockert hätten. Die Krankenhäuser seien besser ausgerüstet als im Frühjahr, "aber das Pflegepersonal ist erschöpft". Dass es nun eine zweite Welle gebe, sei keine Überraschung. "Wir wissen auch nicht, ob dies die letzte Welle sein wird." Man lerne ständig dazu, so von der Leyen. Abgesagte Weihnachtsmärkte, eingeschränkte Kontakte und abgesagte Reisen würden dazu führen, dass in diesem Jahr "Weihnachten anders sein wird", sagte von der Leyen. Man werde "noch einige Zeit" mit der Pandemie umgehen müssen.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union