Drastische EU-Pläne
11. Januar 2007Die EU-Kommission hat am Mittwoch (10.1.) die Bedeutung der Atomkraft für den Klimaschutz hervorgehoben. Mit Hilfe der Kernenergie könne Strom nahezu ohne Ausstoß von Treibhausgasen erzeugt werden, sagte EU-Energiekommissar Andris Piebalgs bei der Vorstellung der neuen Energiestrategie der Brüsseler Behörde. "Atomkraft ist die größte Quelle CO2-armer Energie", sagte der Lette.
Nur Lob für Atomenergie
In dem Kommissionspapier werden der Kernenergie fast ausschließlich positive Eigenschaften zugeschrieben. Da für den Betrieb eines Atomkraftwerks nur wenig Uran benötigt werde, sei die Kernenergie vergleichsweise unabhängig von Preissteigerungen auf dem Rohstoffmarkt, schreibt die EU-Kommission.
Erst im letzten Absatz wird auf die ungeklärten Probleme bei der Entsorgung von Nuklearabfällen hingewiesen, und das auch nur indirekt: Es müsse sichergestellt werden, dass Mitgliedstaaten, die sich für die Kernenergie entschieden, "höchste Sicherheitsstandards" einhielten. "Dies sollte die Entsorgung von Nuklearabfällen einschließen", schreibt die Kommission.
Keine Vorschriften für Mitgliedsstaaten
EU-Kommissionschef José Manuel Barroso betonte aber: "Es ist nicht an der Kommission, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, ob sie in ihrem Energiemix mehr oder weniger Atomkraft haben sollten. Wir versuchen nur, die Debatte anzuregen."
Allerdings müsse die EU ihren Ausstoß von Klimagasen senken, betonte Barroso. Das erklärte Klimaziel der EU-Kommission sei eine Reduktion der Treibhausgase bis 2020 um 20 Prozent unter das Niveau von 1990. Sollte eine globale Übereinkunft auf dieses Klimaziel möglich sein, würde die EU ihre Selbstverpflichtung entsprechend erhöhen.
Merkel und Umweltverbände gegen Wiedereinstieg in Atomenergie
Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte ablehnend auf den Vorschlag der EU-Kommission, die Nutzung der Kernenergie auszubauen: Sie wolle nicht an dem unter Rot-Grün beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland rütteln, sagte Merkel nach einer Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch in Berlin. Die CSU ließ dagegen nicht locker und pochte weiterhin auf längere Laufzeiten für die deutschen Atommeiler.
Umweltschutzorganisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zeigten sich entsetzt über den EU-Aktionsplan: Dieser werde den Klimawandel nicht stoppen und blockiere zudem die notwendige Energiewende weg von fossilen Rohstoffen hin zu erneuerbaren Energien, sagte BUND-Geschäftsführer Gerhard Timm.
Verbraucher zahlen zu viel für Strom und Gas
Ein weiterer Vorschlag der EU-Kommission ist ebenfalls dazu angetan, heftige Diskussionen zu provozieren: So hat sich Kommissionspräsident Barroso am Mittwoch auch für eine Zerschlagung der großen Energiekonzerne ausgesprochen. Denn Verbraucher und Unternehmen in der EU zahlten meist zu viel für Strom und Gas. Das stellte EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes in ihrem am Mittwoch in Brüssel veröffentlichten Bericht zur Konkurrenz auf den Energiemärkten fest. Die Branche werde von großen Unternehmen beherrscht.
Die EU-Kommission sei für eine vollständige Trennung von Energie-Erzeugung und Liefernetzen, sagte Barroso. Die Netze müssten verkauft werden. "Das ist unsere klare Präferenz." Die Mitgliedstaaten müssen einem solchen Vorschlag noch zustimmen.
Postwendend gab es Kritik seitens der großen Energiekonzerne. So sagte der Sprecher des viertgrößten Stromanbieters in Deutschland, Vattenfall, das Ziel niedrigerer Preise sei gut. "Aber das Instrument, das die EU vorgeschlagen hat, die Zerschlagung der vier großen Unternehmen und 900 anderer, ist ein denkbar untaugliches Instrument." Auch der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) hat die EU-Pläne entschieden abgelehnt.
EU-Staaten müssen noch zustimmen
In den Vorschlägen für eine neue Energiestrategie, die Barroso präsentierte, ist aber auch eine weniger radikale Alternative enthalten. Danach blieben die Energiekonzerne Eigentümer ihrer Netze, müssten die Kontrolle darüber aber abgeben.
Das Paket zur künftigen Energie- und Klimapolitik ist noch kein endgültiger Vorschlag für einen Rechtstext. Dieser soll nach dem Frühjahrsgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs Anfang März in Brüssel folgen. Auf dem Gipfel werden die Vorschläge der Kommission das zentrale Thema sein. (ana)