EU-Kommission für Beitrittsgespräche mit Bosnien-Herzegowina
12. März 2024Bosnien-Herzegowina ist nach Einschätzung der EU-Kommission bereit für die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union. "Natürlich bedarf es weiterer Fortschritte, um in unsere Union aufgenommen zu werden. Aber das Land zeigt, dass es die Beitrittskriterien erfüllen kann und die Bestrebungen seiner Bürgerinnen und Bürger unterstützt, Teil unserer Familie zu werden", erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einer Rede im Europäischen Parlament in Straßburg. Die EU-Kommission werde beschließen, den Mitgliedstaaten die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina zu empfehlen.
"Beindruckende Schritte auf uns zu gemacht"
Als Grund für den Schritt nannte von der Leyen unter anderem Fortschritte bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie bei der Steuerung von Migration. Zudem habe sich das Balkanland vollständig an die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union angeglichen, was vor allem in "Zeiten geopolitischer Verwerfungen von entscheidender Bedeutung" sei. "Seit wir dem Land Kandidatenstatus zuerkannt haben, hat es beeindruckende Schritte auf uns zu gemacht", erklärte von der Leyen. "In gerade einmal etwas mehr als einem Jahr wurden größere Fortschritte erzielt als zuvor in über zehn Jahren."
Bosnien-Herzegowina reichte 2016 offiziell einen Aufnahmeantrag bei der EU ein. 2022 wurde das Land dann in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen. Im vergangenen Dezember hatten die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder vereinbart, Verhandlungen über die Aufnahme in die Union zu beginnen, sobald weitere Reformen abgeschlossen sind. Sie werden nun voraussichtlich bei ihrem Frühjahrsgipfel am 21. und 22. März entscheiden, ob sie die Empfehlung der EU-Kommission annehmen.
Die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen erfordert einen einstimmigen Beschluss der EU-Mitgliedsländer. Bei einem Ja wäre Bosnien-Herzegowina im Beitrittsprozess so weit wie die Ukraine und Moldau - der Start der Beitrittsverhandlungen mit diesen beiden Staaten ist bereits beschlossen. Die eigentlichen Gespräche dauern in der Regel Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Beitrittskandidaten müssen dabei nachweisen, dass sie den gesamten Rechtsbestand der EU umgesetzt haben.
Schwache Zentralregierung in Sarajevo
Bosnien-Herzegowina ist seit dem Dayton-Abkommen zur Beendigung des Bosnien-Kriegs 1995 aufgeteilt in die überwiegend von bosnischen Serben bewohnte Republika Srpska und die kroatisch-muslimische Föderation Bosnien und Herzegowina. Die beiden halbautonomen Landesteile sind durch eine schwache Zentralregierung miteinander verbunden.
Grund für die Bemühungen um Bosnien-Herzegowina war auch die Sorge, dass sich der Staat mit etwa 3,2 Millionen Einwohnern ansonsten Richtung Russland oder China orientieren könnte. Erst in der vergangenen Woche hatte der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina, Christian Schmidt, vor Russlands wachsendem Einfluss in dem Balkanland gewarnt. Er könne nicht ausschließen, dass "ein Teil der Strategie" des bosnischen Serbenführers Milorad Dodik "direkt aus Moskau kommt", sagte Schmidt in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Er verurteilte Dodiks "anti-europäisches Verhalten und seine engen Beziehungen" zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Im vergangenen Juli hob Schmidt zwei Gesetze auf, die das Parlament der Teilrepublik Srpska auf Geheiß von Präsident Dodik verabschiedet hatte. Darin wurde die Umsetzung von Entscheidungen des bosnischen Verfassungsgerichts und des Hohen Repräsentanten verboten. Der serbische Nationalist und Kreml-Verbündete verkündete die Gesetze trotzdem, sie wurden auch im Amtsblatt des serbischen Landesteils veröffentlicht. Dodik trägt seine engen Beziehungen zu Moskau immer wieder offen zur Schau. Im Februar verlieh Putin ihm den Alexander-Newski-Orden, eine der höchsten russischen Auszeichnungen.
Nur noch Kosovo kein Beitrittskandidat
Von den sechs Westbalkanstaaten ist nun nur noch die Republik Kosovo kein EU-Beitrittskandidat. Das Land hat aber bereits einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt. Für den jüngsten Staat Europas war es ein eher symbolischer Akt: Die EU-Mitgliedschaft ist für das erst seit 2008 unabhängige Land derzeit nicht in Reichweite. Haupthindernis ist, dass fünf EU-Länder - Spanien, Rumänien, die Slowakei, Griechenland und Zypern - das Kosovo nicht anerkennen.
sti/pg (afp, dpa, rtr)