Neues Verfahren
15. Januar 2008Nur wenige Monate nach der Bestätigung einer Rekord-Wettbewerbsstrafe gegen Microsoft von fast 500 Millionen Euro ermittelt die EU-Kommission erneut gegen den US-Softwareriesen. Die Brüsseler Behörde geht nach Angaben vom Montag dabei wieder dem Vorwurf nach, Microsoft missbrauche seine Marktmacht. Der Schritt eröffnet eine neue Front in dem seit Jahren anhaltendem Kampf zwischen der europäischen Kartellbehörde und einem der größten US-Unternehmen. "Die Einleitung von Ermittlungen bedeutet nicht, dass die Kommission einen Beweis für einen Verstoß hat", erklärte die Kommission. Man werde die Untersuchung allerdings mit Priorität vorantreiben.
Die EU-Kommission nahm zunächst eine Beschwerde des norwegischen Softwareanbieters Opera auf. Er hatte dem US-Giganten vorgeworfen, den Web-Browser Internet Explorer mit dem PC-Betriebssystem Windows in unzulässiger Weise zu verbinden. Opera bietet ein konkurrierendes Programm zur Anzeige von Internet-Seiten an. Ein Microsoft-Sprecher gab auf Anfrage keine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.
Verweigerte Schnittstellen-Daten
In der zweiten Prozedur geht es laut EU-Kommission um Schnittstelleninformationen, die angeblich von Microsoft verweigert werden. Diese Daten sind nötig, damit Microsoft-Produkte mit denen anderer Hersteller kompatibel sind. Der Branchenausschuss ECIS (European Committee for Interoperable Systems) hatte sich darüber bei der Kommission beschwert.
Im September hatte der Europäische Gerichtshof frühere EU-Sanktionen gegen Microsoft, darunter ein Bußgeld von knapp 500 Millionen Euro, ohne Einschränkungen bestätigt. Im Oktober hatte Microsoft auf eine Berufung gegen das spektakuläre EU-Urteil verzichtet und zugesagt, die EU-Sanktionen zu erfüllen. Dabei geht es im Kern um die Öffnung von Windows für mehr Wettbewerb.
Die neuen Verfahren nehmen einen möglichen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung von Microsoft ins Visier. Die Kommission bezog sich dabei ausdrücklich auf das Urteil der EU-Richter vom vergangenen September. Der Brüsseler Microsoft-Streit hatte 1998 mit einer Beschwerde des Konkurrenten Sun Microsystems begonnen. 2004 verhängte Brüssel Geldbußen und Sanktionen.
Norweger begrüßen schnelles Handeln
Die Probleme mit den Schnittstellendaten betreffen "Office suite", eine Reihe von Serverprodukten und das Produkt NET Framework. Die Überprüfung der Wettbewerbshüter wird auch das neue Format "Office Open XML" umfassen. Im Zusammenhang mit der Opera-Beschwerde will die Kommission auch die mögliche Koppelung anderer Produkte untersuchen. Dabei geht es um Suche auf dem Desktop und "Windows Live". Tor Odland, Kommunikationsdirektor bei Opera begrüßte den Schrit: "Wir sind froh, zu sehen, dass die Kommission so schnell vorgeht."
Microsoft droht nachträglich wegen Nichterfüllung früherer EU-Auflagen noch ein Bußgeld von bis zu 1,5 Milliarden Euro. Beobachter meinen jedoch, dass dieser Maximalbetrag nicht ausgeschöpft werden dürfe. Bei den neuen, bis zu zwei Jahre dauernden Verfahren drohen theoretisch Strafgelder von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes von Microsoft. Der Windows-Hersteller hatte in dem Ende Juni abgeschlossenen vergangenen Geschäftsjahr den Umsatz um 15 Prozent auf 51,12 Milliarden Dollar gesteigert. (tos)