EU: TTIP lebt noch
29. August 2016"Der Ball rollt noch. Die Verhandlungen treten in eine entscheidende Phase ein", sagte der Sprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas. Mit diesen Worten wies er die Aussage des deutschen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) zum Zustand der TTIP-Verhandlungen zwischen der EU und den USA zurück. Gabriel hatte TTIP, das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen, für "de facto gescheitert" erklärt. "Nur traut sich das niemand zu sagen", so Gabriel im ZDF-Fernsehinterview am Sonntagabend.
Die EU-Kommission wies ausdrücklich darauf hin, dass sie und sie alleine nach den Regeln der EU die Verhandlungen mit den USA führt. Das Mandat dafür sei erst kürzlich beim letzten EU-Gipfel vor der Sommerpause erneuert worden, berichtete EU-Sprecher Schinas. "Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, hat jeden einzelnen Staats- und Regierungschefs gefragt", sagte Schinas vor der Presse. Und jeder, also auch die deutsche Kanzlerin, habe zugestimmt. Einzelne Interview-Äußerungen wolle er deshalb nicht kommentieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) widersprach ihrem eigenen Wirtschaftsminister. Sie ließ in Berlin erklären, es sei richtig, weiterzuverhandeln. Deutlicher wurde der Generalsekretär der CDU, er sprach von einem "unerträglichen Eiertanz" Gabriels.
Die Kommission verhandelt weiter, die Minister entscheiden
Die EU-Kommission hält an ihrem Ziel fest, bis zum Ende des Jahres ein Rahmenabkommen mit den USA für Freihandel abzustecken. Die vielen Einzelfragen müssten danach allerdings noch ausgehandelt werden. Mitte September will sich die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström mit ihrem amerikanischen Gegenüber treffen, um auszuloten, wie es um TTIP steht. Am 22. September sollen dann die zuständigen Minister der einzelnen EU-Staaten, zu denen auch Sigmar Gabriel zählt, bei einem informellen Treffen in Bratislava entscheiden, ob die TTIP-Verhandlungen weitergehen oder wirklich gescheitert sind. Würde der deutsche Wirtschaftsminister da aussteigen, sind die TTIP-Gespräche vorbei, denn die EU-Kommission braucht ein einstimmiges Mandat.
Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange, hat TTIP in den letzten Wochen schon mehrfach "ein totes Pferd" genannt, auf dem man nicht mehr reiten könne. Lange, der wie Sigmar Gabriel der SPD angehört, kritisiert, dass die Amerikaner in 14 Verhandlungsrunden in keiner strittigen Frage bislang zu Kompromissen bereit gewesen seien. Der Europaabgeordnete geht davon aus, dass vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen Anfang November nicht mehr ernsthaft verhandelt werden kann.
Hinter vorgehaltener Hand heißt es von EU-Diplomaten, gewönne der Republikaner Donald Trump, sei TTIP mausetot. Gewönne die Demokratin Hillary Clinton, sei die Lage zumindest noch offen, da sich Clinton bislang nicht zum transatlantischen Abkommen geäußert habe. Allerdings lehnt sie im Wahlkampf das von Präsident Barack Obama ausgehandelte Freihandelsabkommen mit den Pazifik-Anrainern (TPP) ab.
Handelspolitik ist auch Parteipolitik
Mitte September, noch vor dem Treffen der EU-Handelsminister, beschäftigt sich ein kleiner Parteitag der Sozialdemokraten in Deutschland mit dem Handelsabkommen. Einige SPD-Landesverbände lehnen wie die Gewerkschaften nicht nur TTIP sondern auch das Handelsabkommen mit Kanada (CETA) ab. Zu beiden Fragen wird sich Wirtschaftsminister Gabriel, der auch Vorsitzender der Sozialdemokraten ist, beim Parteitreffen klar positionieren müssen. Von konservativen Abgeordneten im Europäischen Parlament, also aus dem Lager von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), war zu hören, dass man weiter an einem Abkommen mit den USA festhalten wolle. Die EU-Kommission äußerte Unverständnis über die Proteste gegen TTIP, die es massiv vor allem in Deutschland gibt. "Wogegen protestieren diese Menschen denn überhaupt?", fragte Kommissionssprecher Schinas rhetorisch. Noch sei ja nicht einmal klar, was in TTIP überhaupt drinstehen werde.
Der grüne Europaabgeordnete und USA-Experte Reinhard Büttikofer nannte die Analyse des deutschen Wirtschaftsministers gegenüber der Deutschen Welle "oberflächlich". Dass bislang gar nichts ausgehandelt worden sei, sei falsch. Man müsse aber wissen, dass die dicken Brocken erst am Ende kämen und es eine Art Endspiel geben werde. Wegen der Wahlen in den USA werde es jetzt eine Pause geben. Bei TTIP müsse man wohl eher mit dem Jahr 2018 rechnen.
"TTIP ist nötig"
Der Präsident der deutsch-amerikanischen Handelskammer, Bernhard Mattes, sprach sich am Sonntag im Deutschlandfunk noch einmal eindeutig für ein Abkommen mit den USA aus. Mattes, der in Deutschland Chef des Automobilkonzerns Ford ist, sagte, das Abkommen müsse möglichst umfassend sein, aber die Zeit für die Verhandlungen, die ja schon seit 2013 laufen, spiele auch eine große Rolle. Schließlich seien Europa und die USA ja nicht allein im Welthandel unterwegs. "Je mehr Zeit ins Land geht, desto weniger stärken wir die Wettbewerbspositionen von Europa und Amerika im Welthandel." Ein starke Wettbewerbsposition sei aber nötig, damit die Industrie eine bessere Möglichkeit habe, "Arbeitsplätze zu sichern und Innovationen zu fördern und letztlich auch die Investitionen zu treiben, die weitere Arbeitsplätze schaffen können", sagte Bernhard Matthes.