EU-Gipfel beschließt strengere Asylpolitik
29. Juni 2018Getrieben von der deutschen Regierungskrise und Forderungen aus Italien haben sich die 28 EU-Staats- und Regierungschefs auf eine Verschärfung ihrer Asylpolitik geeinigt. Künftig können demnach gerettete Bootsflüchtlinge in geschlossenen Aufnahmelagern in der EU untergebracht werden. Ähnliche Lager in Nordafrika werden geprüft. Die Grenzschutzagentur Frontex soll schon bis 2020 verstärkt und die EU-Außengrenzen stärker abgeriegelt werden.
Merkel: "Wir wollen in Partnerschaft mit Afrika arbeiten"
In einer ersten Stellungnahme nach den zwölf Stunden langen Verhandlungen in Brüssel sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von einem "guten Signal". Es warte zwar noch eine Menge Arbeit am gemeinsamen Asylsystem. "Aber ich bin optimistisch nach dem heutigen Tag, dass wir wirklich weiter arbeiten können." Bei den möglichen Sammelstellen für Bootsflüchtlinge außerhalb der EU werde mit dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zusammengearbeitet und internationales Recht eingehalten. "Ich habe sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir gesagt haben: Wir wollen in Partnerschaft mit Afrika arbeiten", meinte Merkel. Darüber hinaus sei auch eine stärkere Ordnung und Steuerung der sogenannten Sekundärmigration innerhalb der EU vereinbart worden. Dabei ziehen Migranten auf eigene Faust von den Ersteinreiseländern weiter in andere EU-Staaten, häufig nach Deutschland. Klar sei, dass alle sich an Regeln halten müssten und sich kein Asylbewerber einen EU-Staat aussuchen dürfe erklärte die Kanzlerin weiter.
Stundenlange Blockade durch Italien
Auch Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zeigte sich zufrieden mit dem Ausgang der Gespräche. Italien sei nun nicht mehr allein in der EU, so Conte. Die italienische Regierung hatte zu Beginn der Gespräche am Donnerstag alle Gipfelbeschlüsse wegen Forderungen in der Flüchtlingsfrage blockiert. Das Land hatte sich als Hauptankunftsland für Flüchtlinge auf der Mittelmeerroute von den anderen EU-Staaten allein gelassen gesehen. Nach den EU-Regeln ist normalerweise das Erstankunftsland für Asylbewerber zuständig. Aus Protest hatte Italien bereits Schiffen mit vor Libyen geretteten Flüchtlingen die Einfahrt in seine Häfen verweigert.
Kurz: Flüchtlingslager außerhalb der EU möglich
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz bewertete die Beschlüsse des EU-Gipfels zur Asylpolitik ebenfalls positiv. "Wir sind froh, dass es jetzt endlich einen Fokus auf die Außengrenzen gibt", so Kurz. Konkret hätten sich die Staats- und Regierungschefs darauf verständigt, dass Flüchtlings-Sammellager außerhalb der EU entstehen sollten. Zudem sollte es künftig klare Richtlinien für private Rettungschiffe geben, die im Mittelmeer Flüchtlinge bergen.
Die Kanzlerin und CDU-Chefin suchte bei dem Gipfel politische Rückendeckung im deutschen Asylstreit mit der CSU. Ihr Ziel waren Vereinbarungen mit einzelnen EU-Staaten zur Rückführung bereits registrierter Asylbewerber. Ohne Einigung auf europäischer Ebene will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sie in einem nationalen Alleingang an deutschen Grenzen zurückweisen. Die CSU hat Merkel eine Frist bis zum Wochenende gesetzt.
EU will Wirtschaftssanktionen gegen Russland verlängern
Ein weiteres Gipfelthema waren die europäischen Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Wegen fehlender Fortschritte im Friedensprozess für die Ukraine werden sie abermals verlängert, wie Diplomaten mitteilten. Die EU hatte die Sanktionen trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen zuletzt bis zum 31. Juli 2018 verlängert. Sie sollen nun weitere sechs Monate gelten. 2016 war beschlossen worden, die Handels- und Investitionsbeschränkungen erst dann aufzuheben, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplanes zum Ukraine-Konflikt komplett erfüllt sind. Dies ist noch nicht der Fall.
Mit der Koppelung der Sanktionen an den Friedensplan wollen die EU-Staaten den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu bewegen, seinen Einfluss auf die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine stärker für eine Beilegung des Konfliktes zu nutzen.
Drei Milliarden Euro an Türkei für Syrien-Flüchtlinge
Der EU-Gipfel einigte sich auch auf die Auszahlung der zweiten Tranche von drei Milliarden Euro für Syrien-Flüchtlinge in der Türkei. Die Staats- und Regierungschefs forderten gleichzeitig von Ankara stärkere Anstrengungen, um einen Wiederanstieg der Flüchtlingszahlen auf der östlichen Mittelmeerroute zu verhindern. Die Milliarden sind Teil des Flüchtlingspaktes von 2016. Damals hatte Ankara zugesichert, alle neu auf den griechischen Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen und stärker gegen Schlepperbanden vorzugehen. Dies führte zu einem drastischen Rückgang der Ankunftszahlen in Griechenland. In der Türkei halten sich derzeit 3,5 Millionen Syrien-Flüchtlinge auf.
sti/fw/wa (dpa, afp, rtr)