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Politik

Westbalkan in der Warteschleife

6. Oktober 2021

Die Aussichten für die Westbalkanländer bleiben weiterhin unklar. Die EU stellt zwar einen Beitritt in Aussicht, aber eine eindeutige Perspektive gibt es nicht. Doch wo stehen die Länder zurzeit?

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Konferenztisch beim EU-Gipfel in Slowenien.
EU-Gipfel in Slowenien: Noch immer ist für die Westbalkanländer die Perspektive unklar Bild: Joe Klamar/AFP/Getty Images

Nach dem Gipfeltreffen in Slowenien gibt es für die Westbalkanländer Montenegro, Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina keine eindeutige Perspektive. Die Europäische Union stellt den Ländern zwar einen Beitritt in Aussicht, aber einen Zeitplan gibt es auch nach mehr als einem Jahrzehnt des Wartens nicht.

Während mit Slowenien und Kroatien zwei der sieben Jugoslawien-Folgestaaten bereits seit vielen Jahren Mitglieder sind, verschieben sich die Verhandlungen der anderen Länder weiter - oder werden erst gar nicht aufgenommen. Der Beitrittsprozess soll vom Fortschritt der Kandidatenländer abhängig gemacht werden, hieß es. Doch wo stehen die Länder zurzeit und welche Kandidaten haben die besten Aussichten auf einen EU-Beitritt - falls er denn kommt?

Musterschüler Montenegro?

Im Januar dieses Jahres bescheinigte Bundesaußenminister Heiko Maaß dem 600.000-Einwohner-Land, dass es unter den Beitrittskandidaten eine "besondere Rolle einnimmt und weiter ist als alle anderen." Allerdings müsse auch Montenegro noch an der Bekämpfung der Korruption und der Verbesserung seiner Rechtsstaatlichkeit arbeiten.

Ein konkretes Datum für einen möglichen EU-Beitritt gibt es dennoch nicht - das Land selbst hofft auf das Jahr 2025 oder 2026. Immerhin hat Montenegro als einziger EU-Beitrittskandidat alle Verhandlungskapitel geöffnet.

Serbien - weg von der Demokratie

Mit rund sieben Millionen Einwohnern ist Serbien das größte Land im Westbalkan, mit problematischen Beziehungen zu seinen Nachbarn. Auch mit Serbien laufen bereits seit 2014 EU-Beitrittsverhandlungen. Trotz eher schleppender Fortschritte stellt die EU weiterhin einen Beitritt in Aussicht: Von den 35 Kapiteln der Beitrittsverhandlungen wurden 18 eröffnet und zwei abgeschlossen. 

Wie sich die Verhandlungen weiter entwickeln, ist fraglich. Das Land hat autokratische Züge angenommen, die Serbische Fortschrittspartei kontrolliert die staatlichen Institutionen. Parlament und Medien sind größtenteils gleichgeschaltet. Dafür musste Serbien auch schon viel Kritik einstecken.

Albanien nimmt seine Juristen unter die Lupe

Laut Umfragen wollen fast alle Albanerinnen und Albaner in die EU, doch Beitrittsverhandlungen gibt es bisher nicht - obwohl sie seit März 2020 von der EU zugesagt wurden. Sämtliche EU-Mitglieder haben der Aufnahme der Verhandlungen mit dem Land zugestimmt. Dass es noch nicht weiter gegangen ist, hängt vor allem damit zusammen, dass die Verhandlungen parallel zu denen mit Nordmazedonien stattfinden sollen, das aber derzeit von Bulgarien ausgebremst wird. Bulgarien verlangt, dass Nordmazedonien die bulgarischen Wurzeln in Geschichte und Sprache anerkennen müsse.

Auch die Rechtsstaatlichkeit spielt bei einer möglichen Aufnahme in die EU eine große Rolle: Das Justizsystem wird seit Jahren reformiert. Viele korrupte Richter und Staatsanwälte mussten bereits im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen die Posten räumen - weil beispielsweise Verbindungen in die Organisierte Kriminalität nachgewiesen wurden.

Nordmazedonien - große Fortschritte

Auch mit Nordmazedonien gibt es noch keine Beitrittsverhandlungen, obwohl das Land in jüngster Zeit große Fortschritte gemacht hat - insbesondere im Ausgleich zwischen den slawischen Mazedoniern und den Albanern und im "Namensstreit" mit Griechenland. So hat Nordmazedonien in diesem Zusammenhang sogar seinen Namen geändert. 

Kosovos Premier Albin Kurti mit Regenschirm während des EU-Gipfels
Kosovos Premier Albin Kurti - lässt die EU die Länder im Regen stehen? Bild: Idro Seferi/DW

Umstrittener Kosovo

Der Status Kosovos ist international umstritten, Russland und China sowie die fünf EU-Staaten Spanien, Slowakei, Rumänien, Griechenland und Zypern erkennen den Staat nicht an. Deshalb ist eine Aufnahme auf mittlere Sicht unwahrscheinlich. Kosovo hat bislang noch keinen Beitrittsantrag gestellt. Seit 2016 existiert jedoch ein Assoziierungsabkommen. Kosovo ist das einzige Westbalkan-Land ohne eine Visa-Liberalisierung, die Menschen müssen beim Reisen demnach ein Visum besorgen.

Bosnien-Herzegowina - separierte Ethnien

Auch mit Bosnien-Herzegowina gibt es noch keine Beitrittsverhandlungen. Das 3,5-Millionen-Einwohner-Land hat einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt, aber noch keinen Verhandlungstermin. Auch Bosnien-Herzegowina hat ein Status-Problem, ist intern zerstritten und mit seinem nach Ethnien separierten politischen System kaum regierbar.

Wer blockt besonders?

Neben Frankreich und den Niederlanden, bleibt vor allem Spanien skeptisch. Spanien hat Kosovo - anders als Deutschland und die meisten anderen EU-Länder - nicht als Staat anerkannt. Dafür gibt es auch innenpolitische Gründe: Mit diesem Schritt könnten auch die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens Aufwind bekommen und legitimiert werden, so die Befürchtung.

Frankreich und die Niederlande stehen den Beitrittsverhandlungen kritisch gegenüber, weil die Reformprozesse in den Westbalkanländern noch weit vom EU-Standard entfernt sind.

Beim Treffen in Slowenien gaben sie sich jedoch ungewohnt aufgeschlossen: Premier Mark Rutte erklärte, er hoffe auf einen baldigen Beginn der Gespräche mit Nordmazedonien. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von einer "sehr guten Diskussion", auch wenn es interne Komplikationen zwischen einigen Ländern wie Serbien und Kosovo gebe.

 

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft