Fokus auf Menschenrechte
31. August 2012Mit der Ernennung von Stavros Lambrinidis zum EU-Beauftragten für Menschenrechte setzt die Außenrepräsentantin Catherine Ashton ein Zeichen: Das Thema Menschenrechte soll in den Mittelpunkt der EU-Außenpolitik rücken. Menschenrechte seien, so Ashton, "der rote Faden, der sich durch alles zieht, was wir in der EU-Außenpolitik machen". Es gehe darum, "die Wirksamkeit und Sichtbarkeit unserer Menschenrechtsarbeit zu verbessern".
Zu Lambrinidis' Aufgaben gehört die Stärkung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, aber auch der weltweite Kampf gegen die Todesstrafe. Der 50-jährige Lambrinidis hat laut Ashton ein "breit angelegtes und flexibles Mandat" erhalten, damit er auf die "unterschiedlichen Umstände in der Welt" reagieren kann. Menschenrechtsprobleme innerhalb der EU gehören nicht zu seinen Aufgaben.
Der frühere griechische Außenminister war zuletzt Abgeordneter der sozialistischen Pasok-Partei im Europaparlament. Dort hat er sich zum Beispiel für mehr Datenschutz stark gemacht. Ashton nennt ihn "eine natürliche Wahl, weil er große politische Erfahrung, Engagement und Fachwissen im Menschenrechtsbereich verbindet".
Menschenrechte auch für Terroristen
Lambrinidis will, "dass die Menschenrechte in alle Bereiche der EU-Außenpolitik integriert werden, seien es Handel, Entwicklung oder Terrorismusbekämpfung". Er wolle aber auch dazu beitragen, "dass alle Akteure innerhalb und außerhalb der EU enger und koordinierter zusammenarbeiten", sagte er bei seiner Ernennung.
Letzteres dürfte eine Herausforderung werden. Denn oft macht jede EU-Regierung ihre eigene Menschenrechtspolitik, auch die EU-Institutionen ziehen nicht immer an einem Strang: Das Parlament kann zum Beispiel ein Menschenrechtsproblem ganz anders bewerten als der Rat der Mitgliedsstaaten. So verlieh das Parlament einst einem chinesischen Dissidenten den Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit - gegen den ausdrücklichen Willen der Einzelstaaten.
Menschenrechtlerin: EU ist "selbstgefällig"
Barbara Lochbihler von den Grünen ist Vorsitzende des Unterausschusses für Menschenrechte im Europaparlament. Sie zeigt sich zufrieden mit der Wahl des Menschenrechtsbeauftragten. Lambrinidis sei "sehr vertraut mit den EU-Strukturen und hat Erfahrung in der Außenpolitik und bei Menschenrechten". Auch von anderen Parteien im Europaparlament kommt Lob.
Außerhalb der europäischen Institutionen ist man kritischer, nicht, was die Person anbelangt, wohl aber darüber, was das neue Amt erreichen kann, und was die EU-Menschenrechtspolitik insgesamt betrifft. Lotte Leicht, Brüsseler Büroleiterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, sagt: "Wir werden sehen, ob die EU-Mitgliedsstaaten und die europäischen Institutionen tun, was sie predigen". Jahrzehntelang sei die EU "selbstgefällig im Umgang mit Regierungen im Nahen Osten und Nordafrika gewesen, die Menschenrechte verletzt haben."
Der bisherige Menschenrechtsdialog mit "Problemstaaten" ist Lotte Leicht oft allzu zurückhaltend: "Stille Diplomatie ist schön und gut, wenn sie Ergebnisse bringt. Aber in Fällen andauernder Menschenrechtsverletzungen sollte die EU den Mund aufmachen, damit sowohl die Regime als auch ihre Menschen die Botschaft hören". Bisher sei es der EU zu oft darum gegangen, sich nicht dem Zorn autokratischer Regierungen auszusetzen. Von Stavros Lambrinidis erwarten nun Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, dass er mehr ist als ein gut gemeintes Aushängeschild der Europäischen Union.
Sonderbeauftragter Nummer zehn
Mit Lambrinidis hat die EU ihren zehnten Sonderbeauftragten. Alle sind Abgesandte der Europäischen Union mit besonderen Aufgaben im Ausland, arbeiten eng mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst zusammen und sind direkt der Außenrepräsentantin Ashton gegenüber verantwortlich. Im Gegensatz zu EU-Botschaftern sind die Sondergesandten nicht für einzelne Länder, sondern für Regionen oder Konfliktgebiete zuständig. Es gibt zum Beispiel Sonderbeauftragte für die Afrikanische Union, für Afghanistan, für den südlichen Mittelmeerraum oder für den Nahost-Friedensprozess. Lambrinidis ist unter ihnen ein Sonderfall: Er ist der erste Sondergesandte, der statt mit Regionen oder Konflikten mit einem bestimmten Thema befasst ist. Sein Mandat endet zunächst am 30. Juni 2014.