EU einigt sich auf AKW-Stresstests für Europa
25. März 2011Nach dem Atomunglück in Japan testet Europa erstmals die Sicherheit aller Kernkraftwerke. Die EU-Staaten wollen wegen der Atomkatastrophe in Japan nicht nur Kernkraftwerke innerhalb der Union überprüfen, auch Nachbarstaaten wie die Ukraine, Weißrussland oder Russland sind aufgefordert, einen solchen Test zu durchlaufen. Darauf verständigten sich die 27 Staats- und Regierungschefs am Freitag (25.03.2011) auf dem EU-Gipfel in Brüssel. Unabhängige Experten sollen die Atommeiler auf Risiken bei Erdbeben, Hochwasser oder möglichen Terroranschlägen testen.
Die Teilnahme an den sogenannten "Stresstests" ist zwar freiwillig, doch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erwartet, "dass alle Atomkraftwerke in Europa Teil dieser Prüfung sein werden." Bis zum Jahresende wolle die EU-Kommission erste nationale Ergebnisse veröffentlichen. Barroso kündigte an, die Kommission werde "klare und gemeinsame Kriterien" für die Tests aufstellen und vorschlagen, alle 143 Atomkraftwerke in der Europäischen Union zu prüfen. Die Rolle der Kommission sei es, "die Glaubwürdigkeit dieser Übung sicherzustellen".
Die EU-Kommission soll nun die Kriterien für die Tests mit der Europäischen Atomsicherheitsregulierungsgruppe (ENSREG) festlegen. Die Überprüfungen selbst werden von den nationalen Behörden vorgenommen, die dann ihre Ergebnisse der Kommission melden. In einem Bericht sollen die Experten Brüssels dann die nationalen Ergebnisse bewerten, die bis zum Jahresende vorliegen sollen. Geplant ist, dass die Erkenntnisse der Überprüfungen veröffentlicht werden.
Merkel: neue Sicherheitsstufe erreichen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Ende des zweitägigen Gipfels in Brüssel: "Die Lehre aus Japan muss sein: einheitliche Stresstests in Europa." Bei den Stresstests sollen nach ihren Worten schärfere Kriterien gelten als bei bisherigen Routineuntersuchungen auf nationaler Ebene: "Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen." Mit diesen Tests werde eine "neue qualitative Stufe" der Sicherheit erreicht, sagte Merkel. Sie hatte als Folge der Vorfälle in Japan am 14. März die von ihrer Regierung beschlossene Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke für drei Monate ausgesetzt.
"Das ist ein eindeutiger Fortschritt", so Merkel über die geplanten europaweiten Stresstests für AKWs. "Wenn es Schwächen gibt, muss gehandelt werden." Sie kündigte an, dass sie gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy die AKW-Sicherheit zum Thema bei den Gesprächen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) machen will. Sarkozy erklärte in Brüssel: "Wenn ein Reaktor in Frankreich den Test nicht besteht, wird er geschlossen. Das ist klar." Einige osteuropäische Staaten fürchten allerdings, dass sie eine mögliche Nachrüstung ihrer Atomkraftwerke finanziell überfordern könnte.
EU kann keine Kernkraftwerke abschalten
EU-Energiekommissar Günther Oettinger sagte, er rechne damit, dass nicht alle AKWs den Test bestehen werden. Doch fällt ein Kernkraftwerk bei dem Stresstest durch, hat die EU keine Handhabe, den Meiler abzuschalten. Das können nur die Mitgliedsstaaten selbst anordnen, weil in der Atompolitik jede Regierung autonom entscheidet. Doch mit der Veröffentlichung der Ergebnisse will die EU Druck auf Betreiber und Regierungen machen.
"Jede Folgemaßnahme, die getroffen werden muss, soll der EU-Kommission und den Aufsichtsbehörden mitgeteilt werden", betonte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy. Europa wolle die "höchsten Standards für nukleare Sicherheit". Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker betonte die Unabhängigkeit der Experten, die nicht mit der Atomlobby verbunden seien. Umweltschützer kritisieren die Pläne von den Stresstests allerdings als Feigenblatt-Politik.
Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, rtr, afp)
Redaktion: Sabine Faber